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Volker Ziegler steht Rede und Antwort

Interview mit dem Bundestrainer Tischtennis des Deutschen Behindertensportverbandes

Für Volker Ziegler, Bundestrainer Tischtennis des Deutschen Behindertensportverbandes, wäre die Para-DM im Sindelfinger Glaspalast einer der sportlichen Höhepunkte des Jahres gewesen, doch die für das dritte April-Wochenende vorgesehene Veranstaltung fiel – wie so viele andere – dem Corona-Virus zum Opfer. Unser Mitarbeiter Thomas Holzapfel führte unter der Woche ein Gespräch mit dem Trainer aus Lehenweiler.

Redaktion: Wie fiel Ihre Reaktion aus, als die Absage der Para-DM, quasi vor der eigenen Haustüre, offiziell bekanntgegeben wurde?

Volker Ziegler: Natürlich ist es sehr schade, die Deutschen Meisterschaften wären ein toller Event im Glaspalast geworden. Wie wir schon seit längerem wissen und was sich auch bei unserem ersten Vorort-Termin bestätigte, ist der Glaspalast auf Grund seiner Infrastruktur ein optimaler Ort, um eine Para-DM durchführen zu können. Es können 36 Tische aufgestellt werden, die Grundfläche ist riesig und so haben beispielsweise auch die Rollstuhlfahrer viel Platz. Alle Athleten haben sich auf diese Meisterschaften gefreut. Ich hoffe für alle, die sehr viel Arbeit in die Vorbereitung investiert haben, die jetzt erst einmal verpufft ist, dass wir im Herbst einen Alternativtermin finden.

Redaktion: Welche sportlichen Auswirkungen hat die Absage des Turniers auf das deutsche Tischtennisteam? Ist die Paralympics-Vorbereitung dadurch gestört?

Volker Ziegler: Ohne die Deutschen Meisterschaften sind wir im April ganz ohne Wettkampf. Der Qualifikationszeitraum für die Paralympischen Spiele in Tokio ist bis Ende März festgelegt. Dafür haben wir die Europameisterschaften und zehn Weltranglistenturniere in 2019 besucht und planten mit sieben weiteren Turnieren bis Ende diesen Monats. Die letzte drei Turniere wurden nun gestrichen, darunter die China Open und die Italian Open, was sich angesichts der Corona-Thematik von selbst erklärt. Auch die Jordan Open im jordanischen Amman fallen nun leider aus. Der März wäre für mich ein reiner Reisemonat gewesen, jetzt versuche ich aus dem Homeoffice die Umplanungen zu organisieren. Wir haben Glück, dass sich das Team bereits gute Weltranglistenpositionen erspielt hat und diese Turnierabsagen die Tokio-Qualifikation nicht gefährden. 

Redaktion: Worauf wird aktuell das Hauptaugenmerk gerichtet?

Volker Ziegler: Die Athleten sind natürlich im Moment sehr verunsichert und können durch die Schließung der Sportstätten nicht trainieren. Im Moment ist das noch kein Problem, zumal das Athletentraining größtenteils auch zuhause absolviert werden kann. Aber im Laufe der Zeit wird es schwierig, wenn Sie Rennpferde für mehrere Wochen in einem Stall einsperren. Hier wird derzeit an individuellen Lösungen gearbeitet, zum Beispiel an Einzeltrainingsmaßnahmen, wie sie beispielsweise in Berlin und Hamburg für Olympia- und Paralympicskandidaten bereits möglich sind. Es sollte unser Anspruch sein, aus dem Gestaltungsspielraum, den wir im Rahmen des auferlegten „Sonderbetriebs“ noch haben, das Beste zu machen.

Redaktion: Hat man durch die aktuelle Situation jetzt mehr Freizeit?

Volker Ziegler: Vielleicht in ein oder zwei Wochen. Im Moment generieren die Absagen, Anfragen und Umplanungen eher Mehrarbeit. Wenn es danach wirklich etwas ruhiger werden sollte, genieße ich Lehenweiler und die Abgeschiedenheit und Ruhe dort. Mein Garten freut sich auch bestimmt darüber, wenn ich ihm mehr Aufmerksamkeit schenke. Realistischer ist vermutlich aber, dass ich gerade jetzt noch mehr für meine Athleten und Kollegen da sein muss, dass eher Führungs- als Gärtnerqualitäten gefragt sind.

Redaktion: Die Vorbereitung auf den olympischen Höhepunkt ist nun zumindest nur eingeschränkt möglich. Ist es vorstellbar, dass die Paralympics nicht stattfinden?

Volker Ziegler: In dieser Hinsicht ist momentan jede Prognose Kaffeesatzleserei. Dementsprechend werden wir Trainer unsere Energie nicht damit verschwenden, über solche Entscheidungen zu diskutieren. Stattdessen werden wir als Team versuchen, aus den Vorgaben das Optimum herauszuholen und sobald neue Planungen möglich sind, nach sinnvollen Alternativen zu suchen. Das ist sicherlich alles sehr fordernd und auch für die Athleten mental sehr herausfordernd. Das ist dann eben Leistungssport für Fortgeschrittene (grinst). All das koordiniere ich daher mit unserem Teampsychologen, denn je länger wir uns in dieser Unsicherheit befinden, umso weniger geht es rein um sportliche Führung. Aber bei all den Herausforderungen dürfen wir nicht vergessen, dass wir, solange wir uns „nur“ um unsere sportlichen Probleme kümmern müssen, zu einer privilegierten Minderheit zählen. Wir sprechen in unserem Sport über Luxusprobleme. Die Herausforderungen im Gesundheitssystem und im Leben generell sind ganz andere. Diese Krise rückt die Prioritäten wieder etwas zurecht.

Ergänzung nach Entscheidung, dass die Olympischen Spiele verlegt werden

Redaktion: Wie hat der Bundestrainer die Nachricht aufgenommen, dass die Olympischen Spiele/Paralympics nun in das Jahr 2021 verlegt wurden?

Volker Ziegler: Ich war alles andere als überrascht. Es war die einzig mögliche Entscheidung. Lediglich der Zeitpunkt der Entscheidung war unklar.

Redaktion: Welche Vorteile und welche Nachteile resultieren daraus für das bundesdeutsche Para-TT-Team?

Volker Ziegler: Die Vorteile liegen darin, dass das gesundheitliche Risiko - wir haben ja selbst einige Sportler, die zu den Risikogruppen gehören - hoffentlich verantwortbar ist oder durch einen Impfstoff entschärft wird. Im sportlichen Bereich sehe ich Nachteile. Wir haben eine erfolgreiche Qualifikationsperiode gespielt und hatten bisher eine extrem gute Vorbereitung. Für den August war ich sehr zuversichtlich, dass wir genau da in Topform sind. Unsere Medaillenkandidaten stehen voll im Saft und müssen jetzt wieder kontrolliert herunterfahren.

Redaktion: Wo liegt jetzt der Schwerpunkt Ihrer Arbeit? Gibt es bereits eine Art Zeitplan für die kommenden Monate?

Volker Ziegler: Die Situation für uns ist die, dass jemand das Zielfähnchen aus dem Spiel genommen hat und es aber noch nicht wieder neu hineingesteckt hat. Seriös planen können wir erst, wenn der Termin für Olympia 2021 feststeht. Persönlich hoffe ich, dass das IOC und IPC einen Termin außerhalb der in Tokio klimatisch sehr ungünstigen Sommermonate wählt. Unseren Zeitplan werden wir nun nach und nach entwickeln. Wir werden erst weitere Informationen einholen, denn die Verschiebung hat Auswirkungen auf fast alle Bereiche wie beispielsweise Qualifikationsmodalitäten, Kaderzugehörigkeit, Sporthilfeförderung, Anti-Doping, sportmedizinische Untersuchungen, Trainingsmöglichkeiten, Sponsorenverträge und so weiter.

Redaktion: In Funktion als Chefcoach der Böblinger Bundesligafrauen. Welche Lösung hinsichtlich der aktuellen Saison 2019/2020 wäre zu bevorzugen? Weiterspielen oder die Saison abbrechen? Der Deutsche Tischtennisbund und die Verbände arbeiten ja gerade an Lösungsansätzen und ein Ergebnis soll es am 5. April geben.

Volker Ziegler: Eine Möglichkeit zur Fortführung der Saison sehe ich in absehbarer Zeit nicht. Ein Abbruch und eine Wertung mit dem jetzigen Tabellenstand ist zwar für die SVB-Damen nachteilig, weil wir in der Rückrunde noch nicht gegen die hinter uns platzierten Mannschaften gespielt haben, doch es erscheint mir als die Lösung, die am schnellsten Klarheit schafft.

 

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