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Fusion  

Über den Tellerrand: Die Fusion der Golfer in BaWü

Ein Gespräch über Zweifel, Identität und sinnvolle Strukturveränderungen

Eine weitere Sportart agiert nun Baden-Württemberg-weit gemeinsam: Der Golfsport. Nachdem im Jahr 2013 zunächst der württembergische und der nordbadische Teil verschmolzen, stimmte im Februar diesen Jahres auch der südbadische Verband zu. Wie es dazu kam erklärt Jean-Claude Parent, der den südbadischen Verband als Präsident zum Beitritt in den Baden-Württembergischen Golfverband führte.

Herr Parent, am Samstag, dem 09.02.2019, sprachen sich die Mitglieder des Badischen Golf Verbandes auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Golfclub Baden-Baden einstimmig für die Auflösung ihres Verbandes und den Beitritt zum Baden-Württembergischen Golfverband (BWGV) aus. Wie glücklich sind sie darüber?

Die Auflösung des Verbandes war ein strukturell notwendiger Schritt um die Verbandslandschaft und deren Rollen für die Vereine wieder relevant und transparent zu machen. Denn mit dieser Auflösung haben wir Dopplungen in den Aufgaben und letztlich auch in den Beiträgen eliminiert. Natürlich bleibt ein wenig Wehmut zurück, denn schließlich war der Badische Golfverband die Mutter aller Verbände in Baden-Württemberg, aus dem der Baden-Württembergische Golfverband (BWGV) hervorging. Glücklich bin ich darüber, dass wir die Auflösung mit einer Quote von 100 % geschafft haben, denn eine Auflösung angesichts einer satzungsgemäßen 90%igen Zustimmungspflicht ist eine sehr hohe Hürde.

2013 vollzogen zuerst der nordbadische Teil Badens und Württemberg die Verschmelzung mit dem Baden-Württembergischen Golfverband (dem Äquivalent zu Tischtennis Baden-Württemberg e. V.). Warum waren die Mitglieder in Südbaden zunächst vorsichtiger, bis sie nun einstimmig „Ja!“ sagten zu einem gemeinsamen Verband?

Der Verschmelzung der Regionalverbände lag ein neues Sportkonzept des BWGV zugrunde (dieses wurde notwendig, da Golf mittlerweile olympisch ist), welches mit Mitteln in Höhe von 550.0 T€ umgesetzt werden sollte. Dies war der strategische Hebel des Landesverbandes. Der Badische Golfverband jedoch hatte, angesichts seiner Lage am südwestlichen Zipfel des Landes, Zweifel, ob EIN Landesverband adäquat aufgestellt ist und die bewährte Struktur bei der Jugendausbildung des Badischen Golfverbandes ersetzen könne. Aus diesem Grund sprachen sich unsere Mitglieder dafür aus, zunächst abzuwarten, inwieweit der Landesgolfverband in der Lage sein würde ein solches Sportkonzept – verbunden mit erheblichen finanziellen Mitteln - in allen Regionen kompetent und erfolgsversprechend auszurollen.

Sie sprachen das Stützpunkt- und Strukturkonzept des BGWV an. Hat sich dies bewährt?

Das Abwarten des Badischen Golfverbandes hat sich im Nachhinein als klug erwiesen. Wie erwartet tat sich der Landesverband schwer ein solch wuchtiges Sportkonzept landesweit aus dem Stand umzusetzen. In der Folge mussten Personen gefunden werden, welche die Stützpunkte, die Regionen mit ihren Vereinen und Talenten betreuen. Auch erfuhr das Pyramidenkonzept eine Verschiebung der Mittel von der Spitzenförderung nach unten zur Basis- und Talentförderung vor Ort. Nach einer „Rüttelstrecke“ von 2-3 Jahren schließlich war das Konzept rund, zeigte erste Erfolge und war damit Anlass für uns, sich aktiv mit einer Verbandsauflösung zu befassen.  

Welche Vorteile hat die Fusion aus ihrer Sicht seit 2013 bis heute gezeigt?

Es gibt zwei wesentliche Vorteile: zum einen fällt für die Vereine, die angesichts des Rückgangs der Jugendlichen um ihre Zukunft und Wirtschaftlichkeit kämpfen, ein Verbandsbeitrag weg. Zum anderen wurde durch die Strukturbereinigung der Landesverband gezwungen, seinerseits über seine Kernaufgaben, adäquaten Strukturen, Leistungen und Services gegenüber den Vereinen einerseits und dem nationalen Golfverband andererseits nachzudenken und sich bedarfsgerecht und relevant aufzustellen.  

Otto Leibfritz, der Präsident des BWGV, sprach davon, zu Beginn seiner Amtszeit im Jahre 2009 das Traditionsbewusstsein des Badischen Golfverbandes und seiner Mitglieder unterschätzt zu haben. Wie konnten diese Punkte in den letzten Jahren berücksichtigt werden und welchen Tipp würden Sie allen geben, die an einer Fusion in ihrer jeweiligen Sportart arbeiten? Im Tischtennis hören wir immer wieder von Ängsten, insbesondere aus den kleineren Verbänden, „geschluckt“ zu werden oder nichts mehr zu sagen zu haben. Dem versucht der Lenkungsausschuss zum Beispiel durch eine proportionale (oder gar überproportionale) Besetzung von Ämtern durch Funktionäre aus den „kleineren“ Verbänden entgegenzuwirken und so zu signalisieren: Wir wollen gemeinsam mehr erreichen!

Im Grunde genommen brennen wir doch alle für unseren Sport. Daraus schöpfen wir die Motivation, uns ehrenamtlich zu engagieren. Wer im Sinne des Sports denkt und seine Person und persönliche Interessen hinten an stellt, wird sich notwendigen Entwicklungen nicht widersetzen können. In unserem Falle war das Verhalten des Badischen Golfverbandes eine Lernschlaufe für den Landesverband. Denn vor lauter Fokus auf das Ziel der Verschmelzung zu einem starken Verband verlor dieser den Blick für die Befindlichkeit einer Region und ihren gewachsenen Strukturen, die oftmals an wenigen engagierten Personen hängt.

In Ihrem Falle würde ich nicht noch weitere Ämter und somit eine Scheinvertretung von Interessen schaffen. Dies entschleunigt nur die Gremienarbeit. Investieren Sie in einen Vertrauens- und Integrationsprozess, nehmen Sie die Betroffenen mit, hören Sie sie an und geben Sie ihnen das Gefühl, dass Sie deren Meinung, Ideen und Sorgen respektieren und ernst nehmen. Denn schlussendlich legitimieren sich Gremien nur dadurch, was bei den Mitgliedern letztendlich ankommt und ob etwas für den Sport und sein Ansehen in der allgemeinen und politischen Öffentlichkeit nachhaltig bewegt wird.

Herr Parent, vielen Dank für das informative Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

Das Interview führte TTBW-Referent Dirk Lion

Foto: Privat

 

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