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TTBW-Umfrage

Der Saisonabbruch und die Konsequenzen

Thomas Verleih (SpVgg Weil der Stadt)

Die Würfel in der Tischtennissaison 2019/2020 sind gefallen. Der Deutsche Tischtennisbund entschied sich in direkter Absprache mit seinen Landesverbänden, die Mitte März stillgelegte Saison nicht wieder aufleben zu lassen und die Tabellenstände zum Zeitpunkt der Aussetzung (13. März) in die Wertung einfließen zu lassen. Gemäß einer weiteren, darauf folgenden Entscheidung erhielten nun zudem alle Relegationsteilnehmer das Recht, in der kommenden Saison in der jeweils höheren Spielklasse an den Start zu gehen. Der frühzeitige Saisonabbruch wirkt sich auf einige Vereine positiv, auf andere wiederum negativ aus. Das Medienteam von Tischtennis Baden-Württemberg machte sich im Verbandsgebiet auf Stimmenfang.

Als Alternative zur Wertung der Saison 2019/2020 stand nach Aussage der Verbandsverantwortlichen auch der Vorrundentabellenstand zur Debatte, letzten Endes wurde dieser Ansatz jedoch – aus überwiegend rechtlichen Gründen – nicht weiterverfolgt. Richtig schmerzhaft ist dies für den VfL Sindelfingen, der mit seinen Herren nach der Vorrunde noch Verbandsliga-Herbstmeister war, im weiteren Rückrundenverlauf dann aber bis aus Platz vier abrutschte. „Auch wenn für uns der Aufstieg in die Oberliga kein Muss war, so ist die Entscheidung ist für uns schlichtweg nicht nachvollziehbar, da die Mannschaften unterschiedlich viele Spiele ausgetragen haben“, sagt VfL-Abteilungsleiter Carsten Seeger, der nach eigenen Angaben keinen Einspruch einlegen wird. „Natürlich wäre es mit unserer jungen Mannschaft sehr schwer geworden, in der Oberliga zu bestehen, aber ein Erlebnis wär’s allemal gewesen. Wir nehmen’s nun halt sportlich. Zudem haben wir während dieser Corona-Zeiten ganz andere Probleme außerhalb des Tischtennissports.“ Es gibt in Sindelfingen allerdings auch Grund zu jubeln: Bei den Damen erspielte sich der VfL II mit dem zweiten Rang in der Oberliga das Teilnahmerecht für die Regionalliga.

Nutznießer in der Verbandsliga war der TTC Tuttlingen, der als Vorrundendritter nun im März einen Platz besser dasteht und somit in die Oberliga aufsteigen kann. TTC-Kapitän Thomas Fader ist allerdings weit davon entfernt, deshalb in Jubelstürme auszubrechen. „Die aktuelle Phase ist eine riesige Herausforderung für alle Beteiligten und stellt auch für die Entscheidungsträger eine extreme Gratwanderung dar. Grundsätzlich kommt die Entscheidung des Verbandes beziehungsweise des DTTB überraschend, da die ungleiche Anzahl an Spielen zweifelsohne für Verzerrungen sorgt. Andererseits wäre es natürlich gegenüber den aktuellen Erst- und Zweitplatzierten auch schwer kommunizierbar, wenn die bislang verlustpunktfreie Rückrunde nicht gewertet werden würde. Fakt ist, dass wir Sportler die Saison gerne zu Ende gespielt hätten, zumal sich die Liga diesmal als extrem ausgeglichen präsentiert hat. Insofern ist der Saisonabbruch auch für uns bitter. In dieser schwierigen Phase gibt es keine wirklichen Gewinner.“ 

Des einen Freud‘, des anderen Leid: In der Damen-Verbandsliga profitierte der TTC Lützenhardt (23:5 Punkte) vom vorzeitigen Saisonabbruch gegenüber Vize-Herbstmeister TV Rechberghausen (21:7). Nejla Yaman vom Schwarzwaldteam ist sich bewusst, dass man es in dieser herausfordernden Phase „nie allen gerecht machen kann, es gibt immer Vor- und Nachteile. Würde man die Hinrundentabelle werten, hätte jede Mannschaft die gleiche Anzahl an Spielen und dennoch käme es auch bei dieser Variante zu gefühlten Ungerechtigkeiten.“ Der TTC hatte nicht mit dieser Entscheidung gerechnet, nimmt nun aber die Chance wahr, in der kommenden Saison in der Oberliga an den Start zu gehen. Beim TV Rechberghausen zeigt man sich verbittert über die Sachlage. „Nicht nur wegen unserer Situation, sondern allgemein finden wir diese Lösung unfair. Man hätte mit der Entscheidung noch abwarten können, so dass man im Sommer die Saison vielleicht noch zu Ende hätte spielen können. Wenn dies nicht möglich gewesen wäre, hätte ich den Vorrundenstand als gerechter empfunden“, sagt Teamkapitän Denise Campano, nach deren Einschätzung der zweite Platz angesichts des Restprogramms durchaus noch in Reichweite war. „Wir haben nun einen Antrag auf Aufstieg gestellt und müssen mal die Entwicklung abwarten. Falls es nicht klappt, müssen wir das so hinnehmen und auch wenn wir dann ein Jahr verloren hätten, so wollen wir doch in gleicher Besetzung wieder alles geben.“

Beim TSV Kuppingen sieht es Manager Werner Schäffer als wichtig an, dass die Saison frühzeitig final beendet wurde. „Damit werden die Sportler und Fans geschützt und es gibt auch frühzeitig die notwendige Planungssicherheit für die neue Saison“, urteilt Schäffer, der sich mit seinen Vereinskollegen auf einen weiteren Durchmarsch der Herren II (von der Verbandsklasse Süd in die Verbandsliga) freut. „Natürlich hätte ich es lieber gesehen, wenn es zu den Spitzenspielen in der Verbandsklasse gekommen wäre, vor allem für die Ergenzinger als punktgleicher Tabellendritter ist der Saisonabbruch nun sehr unglücklich“, betont der Kuppinger Manager.

Die KSG Gerlingen darf als Tabellen-Achter mit einer weiteren Saison in der Verbandsklasse Nord planen. „Eine richtig gute und gerechte Lösung kann es bei diesem Szenario nicht geben, es wird immer Kritiker geben“, sagt Mannschaftsführer Joachim Scholl. „Ich habe mich bisher noch nicht mit den Planungen für die neue Saison befasst. Ich bin skeptisch, ob im Herbst überhaupt gespielt werden kann oder was passieren würde, wenn in den Mannschaften Krankheitsfälle auftreten würden.“

Gleich in zweifacher Hinsicht erwischte es die SG Aulendorf aus dem Bezirk Allgäu/Bodensee, die sowohl bei den Damen als auch bei den Herren in der Landesliga Gruppe 1 zu Gange sind – und zum Abbruch der Saison jeweils auf dem dritten Platz standen. „Das ist schon äußerst unglücklich für uns gelaufen“, konstatiert Aulendorfs Spieler Marius Müller, der mit seinem Team kurz vor Austragung des Spitzenspiels gegen den Zweiten SV Schemmerhofen ausgebremst wurde – und zum Zeitpunkt des Abbruchs weniger Minuspunkte aufzuweisen hatte als der Konkurrent. „Wir hatten uns schon den Aufstieg erhofft, zumal wir uns zur Rückrunde auch noch verstärken konnten“, so Müller weiter. Dessen Teamkapitän Florian Henne fügt hinzu: „Es wäre durch Kommunikation mit den betroffenen Vereinen sicher möglich gewesen, gerechtere Lösungen für die begrenzte Anzahl an Härtefällen zu finden. Im Gegenteil, dies wurde durch die Erhebung einer Einspruchsgebühr sogar noch weiter erschwert. Höchstwahrscheinlich werden wir gegen die Entscheidung des Verbands trotz der Gebühr Einspruch einlegen, allein um zu zeigen, dass wir mit der Entscheidung und der Vorgehensweise absolut nicht einverstanden sind.“

Als „sportlich gesehen nicht fair“ beurteilt Manfred Kaiser, Teamkapitän vom TSV Musberg (Landesliga Gr. 2) die Entscheidung hinsichtlich der Saisonwertung. Zusammen mit dem TV Murrhardt und dem SV Plüderhausen II lieferte man sich ein packendes Duell um die vorderen Plätze, nun zog der Herbstmeister bei gleicher Anzahl an Minuspunkten den Kürzeren. „Das Tabellenbild hätte drei Tage später wieder anders ausgesehen, da sich unsere beiden Konkurrenten am 15. März direkt gegenübergestanden hätten“, benennt Kaiser eine weitere unglückliche Komponente. Mit einer gesunden Mischung aus erfahrenen Spielern und jungen, aufstrebenden Akteuren hat der TV Musberg nach eigener Aussage alles in die Waagschale geworfen, um am Ende zumindest in die Relegation zu kommen. „Wir haben in der Liga doch einige überrascht und waren guten Mutes, dass es mit dem Aufstieg klappt“, sagt Kaiser, der mannschaftsintern noch am Abwägen ist, ob man einen Härtefallantrag stellt. Zudem lebt man vom Prinzip Hoffnung, dass man bei entsprechender Konstellation (z.B. Rückzug von höherklassigen Teams) vielleicht doch noch auf den Zug in Richtung Verbandsklasse aufspringen kann.

Recht positiv äußert sich Weil der Stadts Thomas Verleih  (Titelfoto) zu den letzten Entwicklungen. „Ich denke, es war richtig, dass der Verband die Entscheidung zum Abbruch der Saison rechtzeitig getroffen hat. Andere Sportarten, speziell Fußball, verschieben diese Entscheidung Woche für Woche“, sagt der langjährige Abteilungsleiter, „natürlich kann man, oft auch aus Eigeninteresse, unterschiedlicher Meinung über die finale Entscheidung des Verbands sein, aber in jedem Szenario gibt es Härtefälle und gewisse Ungerechtigkeiten. Das liegt einfach auch an der Einmaligkeit der Situation.“ Thomas Verleih hätte es gerne gesehen, dass die noch ausstehenden Partien mit dem jeweiligen Vorrundenergebnis gewertet worden wären. „Dann hätte jedes Team die gleiche Anzahl Spiele gehabt. Aber auch hier gibt es wieder Gründe dagegen. Summa summarum applaudiere ich dem Verband dafür, dass das Problem nicht zum Sankt Nimmerleinstag verschoben wurde.“ Bei der SpVgg Weil der Stadt profitierte die dritte Mannschaft in Form eines frühzeitigen Klassenerhalts, im Umkehrschluss müssen zwei Teams in den sauren (Abstiegs-)Apfel beissen. „Fairerweise muss man sagen, dass die Chancen auf den Klassenerhalt bei den Herren IV und den Damen II nicht allzu hoch waren“, zeigt sich Thomas Verleih diesbezüglich recht entspannt.

Mit den Gärtringer Landesklasse-Männern profitiert ein weiterer Verein von der Entscheidung der Tischtennis-Oberen. Der TTV Gärtringen befindet sich nur auf Grund eines mehr ausgetragenen Spiels an der Tabellenspitze der Landesklasse (24:4 Punkte), Titelkonkurrent SV Böblingen II weist 23:3 Punkte auf - aber die Gärtringer sind nun Meister. Wobei laut Beschluss des Verbandes der Begriff „Meister“ in diesem Fall nicht verwendet werden sollte, vielmehr sind die Gärtringer auch weiterhin nur „Erstplatzierte“. „Aus persönlicher Sicht ist das natürlich eine Super-Sache, wir freuen uns über die Rückkehr in die Landesliga. Allerdings hätte ich die Variante mit der Wertung der Vorrundentabelle bevorzugt. Zu diesem Zeitpunkt hätte jede Mannschaft einmal gegen eine andere gespielt. Den Einfluss des Heimrechts halte ich für deutlich geringer als den Einfluss der Gegnerstärke“, beurteilt Teamkapitän Lutz Wolkober das Szenario. Die SV Böblingen II rückt nun - gleichbedeutend mit allen anderen Teams auf einem Relegationsplatz – ebenfalls auf. Böblingens Marcel Manis saß hier zuletzt wie auf heißen Kohlen und zeigte sich nach der offiziellen Bekanntgabe erleichtert. „Ich hätte zwar auch lieber die Vorrundentabelle in die Wertung einbezogen, das wäre fairer gewesen“, sagt Manis, „aber egal wie, den Landesliga-Aufstieg haben wir uns verdient. Insgesamt hat die Saison richtig viel Spaß gemacht, sie war halt leider etwas zu kurz.“

Manis‘ Vereinskollege Gerd Arnold hat derweil mit der dritten Mannschaft schlechtere Karten, mit dem frühzeitigen Ligaabbruch blieb dem Bezirksligisten der Weg in die Landesklasse verwehrt. „Den aktuellen Tabellenstand zu werten, halte ich für falsch und unfair“, sagt Arnold und überlegt sich mit den Verantwortlichen der SVB, ob es Sinn machen würde, diesbezüglich Einspruch beim Bezirk einzulegen. Als Tabellendritter mit 23:7 Punkten schaut die SVB III gegenüber dem Zweiten SV Leonberg/Eltingen III (26:8) in die Röhre. Gerd Arnold unterstützte unter anderem eine Online-Petition, die sich gegen den Deutschen Tischtennisbund richtet und eine andere als die beschlossene Saisonwertung zum Ziel hat. Bis Mittwochnachmittag hatten hier bundesweit 680 Tischtennisfreunde online „unterschrieben“. „Die Petition ist als Meinungsumfrage wichtig, aber sie hat keinen Einfluss auf unsere Entscheidung“, sagte zuletzt DTTB-Vizepräsidentin Heike Ahlert. Das Instrument einer Petition gegen Verbandsentscheidungen gebe es im Bund nicht. Gerd Arnold: „Ich denke, es wäre nur gerecht, neben Leonberg/Eltingen auch uns aufsteigen zu lassen oder vielleicht sogar im Juni das ausstehende Rückrundenspiel gegen Leonberg nachzuholen. Selbst ein Losentscheid zwischen beiden Teams wäre für mich im Notfall akzeptabel.“

Bericht: Thomas Holzapfel  

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