Als Bundesligamanager die Sontheimer Tischennis-Ära geprägt
In der Serie "Was macht eigentlich...?" ist das Medienteam von Tischtennis Baden-Württemberg regelmäßig auf der Suche nach erfolgreichen Sportlern oder Funktionären aus der Region. Beim Heilbronner Lothar Löchner wird man diesbezüglich in doppelter Hinsicht fündig. Der heute 69-jährige war selbst erfolgreicher Zweitligaspieler, machte sich aber vor allem als Manager des Tischtennis-Bundesligisten TSV Maxell Heilbronn-Sontheim einen Namen. Zahlreiche Erfolge, unter anderem beachtliche Erstligaplatzierungen und das Erreichen des Endspiels im ETTU-Cup im Jahr 1996, wurden unter der Regie des damaligen Sontheimer Machers eingefahren. Unser Mitarbeiter Thomas Holzapfel hatte die Gelegenheit, mit dem pensionierten Oberstudienrat aus Heilbronn-Böckingen ein Gespräch zu führen.
Schwelgt man mit Lothar Löchner in den Erinnerungen, ist es keineswegs Wehmut, die beim früheren Bundesligamanager aufkommt. "Alles hat seine Zeit", sagt er, "ich denke sehr gerne an die erfolgreichen Jahre in Sontheim zurück. Es war eine tolle Ära, aber sie war auch mit diversen Hürden verbunden und es war nicht immer alles so einfach." Ohne Zweifel überwiegt beim gemeinsamen Rückblick jedoch das Positive, das sich nicht so schnell in wenigen Sätzen zusammenfassen lässt.
Wie so viele, fuhr auch Lothar Löchner in jungen Jahren zweigleisig. Im Fußballsport sah der talentierte Ballsportler anfangs seine Erfüllung, bei der Union Böckingen spielte er bis zur A-Jugend und hatte diverse Einsätze im Reserveteam der ersten Mannschaft. Parallel hatte Löchner auch Geschmack am Tischtennissport gefunden. "Wir spielten in der Garage von einem Schulkameraden", erinnert er sich, "im Fußball wurde mir vom damaligen Trainer die Chance auf die erste Mannschaft verwehrt. Als ich dann in Sontheim bei einem Tischtennisturnier für Nichtvereinsspieler teilnahm und die jugendlichen Vereinsspieler in einem Parallelturnier bewundern konnte, war es um mich geschehen. Ich wurde dann Mitglied beim TV Sontheim."
Die ersten Ballwechsel im Verein unternahm Lothar Löchner dann unter Leitung des langjährigen Trainers Walter Link, einem Verfechter der "antiken Spielweise mit Schlägerbelägen ohne Schwamm." Im Jahr 1970, zu Beginn seiner Studienzeit in Tübingen, erlernte Löchner das Tischtennisspielen neu. "War ich bislang lediglich ein normaler Abwehrspieler, verfeinerte ich mein Spiel und wurde zu einem aggressiven Defensivstrategen", sagt der Protagonist, der hauptsächlich autodidaktisch vorging, aber im benachbarten Reutlingen auch von Sparringspartnern wie Peter Stellwag profitierte.
In wenigen Jahren hatte sich Lothar Löchner vom jugendlichen Anfänger zur Nummer eins im Team der Sontheimer "hochgearbeitet". "Meine erfolgreichste Saison hatte ich dann 1982/1983 in der zweiten Bundesliga", rekapituliert Lothar Löchner, der seine 18:13-Bilanz am vorderen Paarkreuz noch in guter Erinnerung hat. "Ich profitierte dabei von der Umstellung auf zwei verschiedene Beläge, damals alle noch in derselben Farbe. Mit meinen langen Noppen auf der einen Schlägerseite war ich für meine Gegner nur sehr schwer auszurechnen. In einem Turnier schaffte ich es sogar, den amtierenden Europameister Edvard Vecko in die Knie zu zwingen."
Neben der sportlichen Laufbahn entwickelte sich Lothar Löchner, der als Gymnasiallehrer für Sport und Biologie in Besigheim beruflich eingespannt war, auch im Ehrenamt zu einer festen Größe. Von 1984 bis 1987 leitete er die Sontheimer Tischtennisabteilung, dabei trat er die Nachfolge von Bernhard Kilgus an. "Unter Klaus Krüger hatten wir zudem ein herausragendes Training, der hat uns damals wirklich fit gehalten", nennt Löchner einen weiteren Garanten für den Aufstieg der Abteilung. Nach dem Triumph in Form des gewonnenen Zweitligatitels 1988 wurde im Heilbronner Stadtteil der Leistungssport weiter intensiviert. Lothar Löchner kümmerte sich unter anderem um die Pressearbeit, den Aufbau in der Halle und die Wohnungsbeschaffung und -ausstattung für die Topspieler, zudem zeigte er sich für das Akquirieren von Sponsoren zuständig. Mit Manfred Glaser vom Hauptverein hatte er zudem einen kongenialen Partner an seiner Seite, der in der Bundesligazeit akkurat darauf achtete, dass die Zahlen stimmten. "Unser Credo war, nur das auszugeben, was zuvor auch eingenommen wurde", so Löchner, der bereits 1985 selbst mit dem Tischtennis-Leistungssport aufgehört hatte und sich nebenher dem Tischtennis-Schaukampf als weitere Leidenschaft zuwandte. Dabei galten die französischen Stars Jacques Secrétin und Vincent Purkart als Vorbilder. Lothar Löchner und Heiko Wirkner brachten mit einem eigenen Show-Programm die Tischtennisfans in der Heilbronner Region in Verzückung. "Natürlich spielten wir wie die Franzosen auch mit besonders großen Schlägern oder klein dimensionierten Tischen, unsere Spezialität war jedoch ein aufgebauter Turm, bestehend aus mehreren Spieltischen", schildert Löchner die Details.
Mittlerweile in eine eigene Profiabteilung ausgegliedert und ab 1991 unter dem Namen TSV Maxell Heilbronn-Sontheim unterwegs, spielte der Verein acht Jahre lang in der Beletage des deutschen Tischtennissports. Mit Trainern wie Reimer Plache, der 1994 völlig überraschend im Alter von 44 Jahren verstarb, dessen international renommierten Nachfolger Zlatko Novakovic und dem ehemaligen ungarischen Nationalspieler István Asztalos (Löchner: "Er war zugleich ein richtig guter Freund") gaben sich in Sontheim Weltklassespieler die Klinke in die Hand. Der Chinese Chen Xinhua, zweifacher chinesischer Teamweltmeister, dürfte vielen Tischtennisfans noch in Erinnerung sein. Von 1991 bis 1993 spielte "der Lächler", der bei weiten Ausfallschritten auch mal ein Rad schlug, in Sontheim. Ein besonderes Spiel des chinesischen Abwehrspezialisten möchte Lothar Löchner dabei nicht unerwähnt lassen. "Unvergessen ist der Auftritt gegen seinen Landsmann Wang Hao, einen weiteren Weltklasse-Defensivkünstler. Die beiden kannten sich aus dem Eff-Eff. Entgegen aller Erwartungen griff Chen Xinhua dann jeden Ball an, Topspin folgte auf Topspin. Trotzdem trat irgendwann das Zeitspiel in Kraft und Chen Xinhua konnte in der Verlängerung des dritten Satzes die Partie für sich entscheiden."
Weitere namhafte Spieler in der erfolgreichen Sontheimer Epoche waren der ehemalige ungarische Nationalspieler János Molnár ("er war der Garant für den Aufstieg in die erste Liga"), Jürgen Rebel, Leszek Kucharski, Xu Zengcai, Peter Auwärter, Heiko Wirkner und Markus Teichert. In den Spielzeiten 1991/1992 und 1993/1994 wurde, jeweils mit Platz sechs, die beste Bundesligaplatzierung in der Vereinsgeschichte erreicht, die Krönung auf internationaler Ebene war das Erreichen des ETTU-Cup-Finals. Lothar Löchner: "Leider waren wir da 1996 im heimischen Sontheim gegen das Team aus Ochsenhausen chancenlos. Aber auch das Drumherum mit etwa fünfhundert Zuschauern wird einem immer in Erinnerung bleiben."
Als vielbeschäftigter Macher beim TSV Maxell Sontheim hatte sich Lother Löchner ein entsprechendes Netzwerk aufgebaut, hatte viele Kontakte zu nationalen und internationalen Tischtennisgrößen. "Das damals 15-jährige Talent Timo Boll hätten wir gerne in unseren Reihen gehabt, wir haben da auch angefragt, aber letztendlich wurde nichts daraus", erzählt Löchner von damaligen Aktivitäten, "wir kannten auch Jörg Roßkopf gut und haben Verhandlungen mit Jean-Michel Saive geführt. Als Bundesligamanager war es normal, dass man mit den Besten des Sports zu tun hatte. Und das alles ohne Handy."
Die verschärfte Abstiegsregelung, verursacht durch die Reduzierung des Oberhauses von zwölf auf zehn Mannschaften, bereitete den Sontheimern in der Saison 1996/1997 dann den Garaus. Zudem ließ sich eine Verletzung von Markus Teichert nicht kompensieren. "Mit dem richtigen Durchbruch hat es leider nie so ganz geklappt", blickt Lothar Löchner zurück, "der verschärfte Abstieg war das eine, aber auch die weltweite Wirtschaftslage mit dem Rückzug von Sponsoren spielte eine Rolle. Zudem wurde der organisatorische Aufwand beim Management eines Bundesligisten immer größer. Irgendwann war das hohe Level schlichtweg nicht mehr zu halten." Einen kleinen Seitenhieb kann sich Lothar Löchner dabei nicht in Richtung des Deutschen Tischtennisbundes verkneifen, "wo man oftmals gegen Windmühlen ankämpfte." So wurde dann ein Schlussstrich unter den Profisport in der Heilbronner Tischtennismetropole gezogen, unter Federführung von Löchner's Nachfolger Jürgen Rebel und Pedro Pelz wurde im darauffolgenden Zweitligajahr 1997/1998 verstärkt auf die Jugend gesetzt. Fünf Jahre später fusionierten der TSV Sontheim und die TG Heilbronn mit insgesamt über 6000 Mitgliedern zur TSG Heilbronn, in deren Tischtennisabteilung sich die Männer I aktuell - nach Abbruch der Corona-Saison - über den Titelgewinn in der Verbandsliga freuen dürfen.
Vergangenes will Lothar Löchner nicht missen, derzeit hat der 69-jährige indes kaum noch Berührungspunkte zum Tischtennissport. "Wenn mal Tischtennis im Fernsehen kommt, schau ich mir das natürlich an." Der pensionierte Oberstudienrat des Besigheimer Christoph-Schrempf-Gymnasiums, von seinen Schülern und Schülerinnen oftmals nur "LoLö" genannt, hat sich seit jeher auch der Musik und dem Tanzen verschrieben. Nicht ohne Stolz erzählt er von "annähernd zehn Schulbands, die ich in den letzten Jahren zusammen mit hervorragenden Kollegen aufgebaut und begleitet habe. Wir hatten richtige Profimusiker an Bord und waren fantastisch ausgestattet." Christin Kieu ist einer seiner Schützlinge, die talentierte Flötenspielerin und Sängerin hat es beim TV-Wettbewerb "Voice of Germany" bis ins Viertelfinale geschafft und ist inzwischen als Profisängerin und -songwriterin unterwegs. Als passionierter Rock'n Roll-Tänzer lernte Löchner viel von den Heilbronner "Rock'n Roll Kangaroos", dementsprechend leitete er auch diverse AG's an seiner Schule. Zudem ist Lothar Löchner fester Bestandteil der ehemaligen Heilbronner Nostalgietanzgruppe der Vöhringer-Fenske-Tanzschule, die mit zahlreichen Gala-Auftritten in der Heilbronner "Harmonie" für Furore sorgte. Das Enkelkind und der hauseigene Garten stehen inzwischen auf der Liste seiner Freizeitaktivitäten ganz weit oben. "Als Biologe liebe ich zwar die Biomasse, bin dann aber immer wieder überrascht, was man im Frühjahr alles so im Garten entdeckt. Aber mit dem Aufsitzrasenmäher kann man ja heutzutage viel machen", sagt er mit einem Schmunzeln.
Die erfolgreiche Zeit im Tischtennissport stellt für Lothar Löchner ein unvergessenes Kapitel in seinem Leben dar, das er keineswegs missen möchte, das aber inzwischen zugeschlagen ist. "Ein besonderes Dankeschön geht hier an meine Gattin Gerda, ohne deren Rückendeckung das Ganze sowieso nicht möglich gewesen wäre. Auf Grund meines intensiven Engagements war das nicht immer so einfach." Seit längerem haben sich im Hause Löchner jedoch die Prioritäten verlagert - zahlreiche neue Kapitel sollen noch folgen, auf ganz anderen Gebieten abseits des Tischtennissports.
Bericht: Thomas Holzapfel Fotos: privat