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Rolf Jäger

TTBW-Serie: Was macht eigentlich...

Rolf Jäger: Ein Schwarzwald-Bub auf dem Weg in die deutsche Tischtennis-Elite

Bericht: Thomas Holzapfel
Fotos: privat

Die Geschichte von Rolf Jäger ist auch die Geschichte von einem, der auszog, um das Fürchten zu lehren. Der Vergleich mit dem Märchen der Gebrüder Grimm hinkt insofern, dass es lediglich die Tischtenniskonkurrenz war, die sich damals, Ende der 1960er Jahre, vor dem jungen Nachwuchstalent aus dem Schwarzwalddorf Wildbad-Calmbach in Acht nehmen musste. Fakt ist: Durch den Wechsel vom beschaulichen Enztal in die Schwabenmetropole nach Stuttgart veränderte sich bei dem jungen Rolf Jäger das ganze Leben.

Bei einem Besuch im heimischen Ottenbronn, einem Ortsteil der Gemeinde Althengstett im Landkreis Calw, wird schnell klar, dass Rolf Jäger mit sich im Reinen ist. „Ich verfolge den Tischtennissport noch, schaue im Internet regelmäßig auf Ergebnisse und Tabellen, aber inzwischen ist auch eine gewisse Distanz vorhanden“, sagt der inzwischen 71-jährige, der allenfalls noch gelegentlich beim Verbandsliga-Team des TTC Ottenbronn vorbeischaut. Bei dem Verein, für den er zuletzt im Frühjahr 2016 in der zweithöchsten Spielklasse des Verbands am Tisch stand – und damals gegen den SC Staig sogar noch ein Einzel für sich entschied. Der TTC ist es auch, der als letztes auf der durchaus umfangreichen Liste von Jägers Tischtennisstationen aufgeführt ist. Und der den Kreis wieder schloss, vom Schwarzwald hinaus in die deutschen Tischtennismetropolen und wieder zurück.

Als junger Schwarzwald-Bub verschrieb sich Rolf Jäger anfangs mehreren Sportarten, unter anderem war er auch in der Leichtathletik erfolgreich. „Ich war Bezirksmeister im Diskus, Speerwurf und Kugelstoßen. Die eigentlichen Vorlieben galten aber dem Skispringen und dem Tischtennis“, erinnert sich der gebürtige Calmbacher, der sich endgültig dem schnellen Sport mit dem kleinen Ball zuwandte, „als es bei uns zuhause nicht mehr oft Schnee hatte und man nicht so einfach zum Skispringen gehen konnte. Außerdem befand sich das Haus meines Vaters quasi oberhalb der Sporthalle.“ An die Anfänge erinnert sich Rolf Jäger noch gut: „Einen richtigen Trainer hatten wir damals nicht, ich habe viel bei den Älteren zugeschaut und unten im Heizkeller neben dem Heizofen hatten wir zwei Tische aufgestellt.“ Richtungs-weisende Tipps und Tricks entnahm der damals schon ehrgeizige Jäger dem Tischtennis-Buch des renommierten Trainers Tibor Harangozo, in dem auch die Technik des früher noch nicht allzu gängigen Topspins erklärt wurde. Jäger: „Meine Mutter hielt mich damals für verrückt, als ich vor dem Spiegel Technikübungen machte.“         

Sozusagen via Selbststudium wurde Rolf Jäger schnell besser. Zusammen mit den Calmbacher Weggefährten, darunter auch sein jüngerer Bruder Wolfgang, gewann der TVC 1966 den Bezirksmeistertitel und erreichte bei den württembergischen Mannschaftsmeisterschaften einen sensationellen vierten Platz. „Es war eher selten, dass ein Junge aus dem Schwarzwald den württembergischen Lehrgängen beiwohnte, die Teilnehmer kamen oft vom SSV Reutlingen und anderen namhaften Vereinen“, blickt Rolf Jäger zurück.

Schon bald wurde man beim Oberligisten DJK Sportbund Stuttgart auf den erfolgreichen jungen Mann aufmerksam. „Ich weiß noch wie heute, als eines Tages Stuttgarts Kuno Walter mit dem VW bei mir vorfuhr und mir den Wechsel zum Sportbund schmackhaft machte“, so Jäger. Keine einfache Situation für den damals 16-jährigen, der sich dann jedoch für das reizvolle sportliche Abenteuer – und gegen die gewohnte Umgebung im idyllischen Enztal – entschied. Dies auch deshalb, weil der TV Calmbach den anvisierten Sprung in die Landesliga verpasste. „Mein Heimatverein war alles andere als erfreut, als ich den Weggang bekanntgab, sie trauten mir den Sprung auf das höhere Spielniveau auch nicht unbedingt zu“, sagt Jäger und ergänzt wehmütig, dass er durch den Vereinswechsel etliche Freundschaften verlor.

Zwischenzeitlich als Lehrling bei einer Bank angestellt, fokussierte sich Rolf Jäger parallel auf seine sportliche Weiterentwicklung beim Sportbund. Die Trainingszeiten in der Landeshauptstadt waren für den Emporkömmling aus dem Schwarzwald allerdings limitiert. „Freitags hatte ich immer früher Feierabend, da ging es dann mit der Bahn nach Stuttgart, wo ich um halb sieben in der Halle eintrudelte. Das hat dann für anderthalb Stunden Training gereicht“, schildert Rolf Jäger das damalige Szenario. Nach den Übungsstunden wurde oft bei Vereinskollegen übernachtet. An den darauffolgenden Wochenenden standen nicht selten Doppelspieltage auf dem Programm, die das Oberliga-Team durch ganz Süddeutschland führten. Im Jahr 1967 sicherte sich Rolf Jäger in seiner ersten Saison mit den Teamkameraden Bernd Kurz, Elmar Stegmann, Peter von Klaudy, Ernst Kegreiß, Richard Peycke und Peter Grieb gleich die Meisterschaft in der Oberliga Süd. „Die Verbandsspiele bleiben unvergessen“, kommt Rolf Jäger ins Schwärmen, „es ging gegen Teams aus Regensburg und Nürnberg, aber auch die Derbys gegen Neckarsulm hatten es in sich. Zwei- oder dreihundert Zuschauer waren keine Seltenheit.“

In einem seiner ersten Einsätze für den neuen Verein belegte Rolf Jäger mit der württembergischen Jugendauswahl den zweiten Platz beim Länderpokal, der schon damals als prestigeträchtiger Wettbewerb im Nachwuchsbereich galt. Als bester Einzelspieler des Turniers hatte der Stuttgarter Neuzugang großen Anteil an der starken Endplatzierung. In den kommenden Monaten reihten sich zahlreiche Erfolge aneinander: In der Aufstellung Elmar Stegmann, Ernst Kegreiß und Rolf Jäger musste sich der Sportbund im Finale des württembergischen Pokals nur knapp mit 3:5 dem turmhohen Favoriten aus Reutlingen geschlagen geben. Zusammen mit Dieter Boltersdorf sicherten sich die drei Sportbundler 1968 durch ein 5:3 gegen Weiß-Blau München die süddeutsche Pokalmeisterschaft. Im Einzelsport gehörte Rolf Jäger zu den Besten im „Ländle“, mit Elmar Schneider klappte es im letzten Jugendjahr mit dem württembergischen Meistertitel im Doppel. In Bonlanden wurde

Jäger 1968 gleich zweifacher württembergischer Juniorenmeister. Ein Kunststück, das er 1969 in Ulm sogar wiederholte. Außerdem sorgte der 19-jährige bei der württembergischen Rangliste der Aktiven für Furore, als er hinter dem Reutlinger Bernd Steidle die Silbermedaille ergatterte.

Nachdem den Sportbundlern insgesamt im vierten Anlauf der Aufstieg in die Bundesliga verwehrt blieb, wechselte der Angriffsspieler nach zweieinhalb Jahren in der Landeshauptstadt zum Bundesligisten DJK TuSA 08 Düsseldorf. Die Rheinländer waren damals eine große Nummer im Tischtennissport, das Team um Eberhard Schöler wurde zuvor mehrfach Deutscher Meister und Pokalsieger. Die Düsseldorfer Presse kündigte den Neuzugang aus dem Schwabenland im Jahr 1969 wie folgt an: „Rolf Jäger’s äußerst harter Angriff kommt zuweilen noch unkontrolliert, man darf gespannt sein, wie er sich in seiner ersten Bundesligasaison zurechtfinden wird.“ Parallel wechselte Eberhard Schöler zum Stadtkonkurrenten PSV Borussia. „Ich hatte viel mit Schöler trainiert und ihn dann in Düsseldorf sozusagen abgelöst“, erzählt Rolf Jäger. Im neuen Umfeld wurde Jäger prompt westdeutscher Juniorenmeister im Einzel. 

Nach einem Jahr als „Tusaner“ ging die Reise des Tischtennis-Globetrotters weiter nach Mettmann, wo er unter anderem als westdeutscher Einzelmeister triumphierte. Seinen größten Erfolg feierte Jäger dann 1971 bei den Deutschen Meisterschaften, als er mit Partner Jochen Leiß den Titel im Doppel einfuhr. Der Gewinn der Mannschaftsmeisterschaft mit dem Mettmanner TV im darauffolgenden Jahr stellte einen weiteren Karrierehöhepunkt dar. Nach einer Stippvisite bei der Berliner Hertha („die Hauptstadt mit ihrer Mauer war nicht so meine Welt“) wurden mit der Meisterschaft beim VfB Altena, einem Nationalmannschaftsauftritt gegen Österreich (5:3) und der Vizemeisterschaft mit dem TTC Jägermeister Calw (mit Dragutin Surbek) weitere große Erfolge gefeiert. „Gegen Düsseldorf hatten wir in Calw mal zweitausend Zuschauer“, zeigt sich Rolf Jäger noch heute hingerissen. Eine Rückenverletzung (1972) und ein Halswirbelbruch nach einem Autounfall (1974) bremsten derweil seine Karriere. Weitere Adressen für den fünffachen Vater waren in der Folgezeit die Stuttgarter Kickers, SV Neckarsulm (mit Heinz Harst), TTC Loßburg, TV Altburg, SSV Reutlingen und schlussendlich der TTC Ottenbronn.

Auch wenn die Erfolge auf höchster deutscher Ebene mit anderen Vereinen gefeiert wurden, blickt der 71-jährige Rolf Jäger heute noch gerne auf die Zeit in Stuttgart zurück. „Die Zeit beim Sportbund hat mich besonders geprägt, sie stellte die Weichen für meine Zukunft. Sportlich gesehen kam ich als Nummer sieben ins Team, gegangen bin ich als Nummer eins. Mit Elmar Stegmann und Elmar Schneider pflege ich noch heute gute Freundschaften. Über die Sportbundler wurde ich auch zum Studium angespornt“, sagt der Diplom-Wirtschaftswissenschaftler, der zurzeit noch als Geschäftsführer von drei Firmen im Immobilienbereich agiert. „Nicht nur sportlich und beruflich, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene brachte mich der Verein weiter. Er hat mir in jeder Hinsicht den Weg in die Welt geöffnet.“

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