Ein Bericht von Thomas Holzapfel
Kurt Allert vom TTC Oberndorf ist der älteste, noch aktive Spieler des Tischtennisverbands.
Auch der SWR ist auf Kurt Allert aufmerksam geworden. Hier finden Sie den entsprechenden Radio-Beitrag dazu:
Radiobeitrag SWR - Kurt Allert
Saisonvorbereitung am Tischtennisroboter – mit 91 Jahren
„Das war mir gar nicht bewusst, über den Anruf bin ich jetzt doch ein wenig überrascht“, wirkt Kurt Allert am Telefon durchaus perplex, als ihn das Medienteam des Tischtennisverbands Baden-Württemberg um ein Interview bat. Die Kontaktaufnahme hatte ihren mehr als berechtigten Grund: Mit mittlerweile 91 Jahren ist das langjährige Mitglied des TTC Oberndorf (Bezirk Oberer Neckar) der älteste, aktive Spieler im hiesigen Tischtennisverband. Im Gespräch blickt der rüstige Verbandssenior auf ein ereignisreiches Leben zurück, gespickt mit vielen positiven Erinnerungen, die weit über den Tischtennissport hinausgehen.
Bei Kurt Allert kribbelt es derzeit in den Fingern. Allzu gerne würde der Oberndorfer wieder im Verein dem Tischtennissport nachgehen. Getreu dem Satz des Philosophen Martin Buber „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, der seit jeher auch seine persönliche Devise ist, sehnt sich der Senior nach den Kontakten im Verein. So ganz ohne Tischtennisschläger liefen die vergangenen, corona-bedingt durchaus seltsamen Wochen allerdings nicht ab. „Meine Frau hatte mir zu meinem 85. Geburtstag einen Tischtennisroboter geschenkt, den ich seitdem regelmäßig nutze. Gerade in der Corona-Zeit ist die Ballmaschine natürlich eine gute Alternative, wenngleich sie das Vereinstraining nicht adäquat ersetzt“, sagt Kurt Allert und ergänzt, dass die Sporthalle in Oberndorf derzeit, auch auf Grund von Sanierungsarbeiten, noch nicht genutzt werden kann. „Ich hoffe aber, dass wir bald wieder in die Halle können, normalerweise trainiere ich dort ein bis zwei Mal pro Woche.“
Ein weiter Blick zurück: Geboren im April 1929 in Mülheim an der Ruhr, kam Kurt Allert 1941 während des zweiten Weltkriegs anlässlich der Kinderlandverschickung wegen Fliegerangriffen in ein weniger gefährdetes Gebiet nach Flözlingen in den Kreis Rottweil, wo er zwei Jahre in einer Bauernfamilie lebte. Schwenningen (1951 Hochzeit mit Erne Bay), Stuttgart-Vaihingen, Leinfelden (mit inzwischen drei Kindern), Seedorf und Oberndorf am Neckar (seit 1979) waren im weiteren Verlauf die Wohnorte, wo es Kurt Allert mit seiner Familie hinverschlug. Die Umzüge waren dabei überwiegend beruflich begründet. Der ausgebildete Mechanikermeister und Techniker arbeitete Ende der 1950er-Jahre als Betriebsleiter in einer Stuttgarter Metallwarenfabrik, unter großen Anfangsschwierigkeiten gründete er dann – zusammen mit seiner Frau - im Sommer 1959 in Leinfelden eine eigene Firma, die knapp vier Jahre später als „Metallwarenfabrik Kurt Allert“ ihr Domizil in Seedorf (Kreis Rottweil) aufschlug. „Die Aufbaujahre waren nicht einfach, aber die Mitarbeiter erwiderten das entgegengebrachte Vertrauen“, erinnert sich Kurt Allert.
Erfolge in der Entwicklung und Forschung und daraus resultierende eigene Patente brachten das Unternehmen voran, das bedingt durch äußere Einflüsse zu Beginn 1979 nach Oberndorf umsiedelte. „Mit Innovationen in der spanlosen Fertigung sowie als Systemlieferant von DaimlerChrysler war das Unternehmen dann lange Zeit recht erfolgreich“, so Allert weiter, der 1997 den Verkauf an die Schweizer Firmengruppe Hans Oetiker AG in die Wege leitete. „Der Verkauf wurde dabei per Handschlag festgemacht. Und was mir besonders wichtig war: Alle 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden meinem Wunsch entsprechend übernommen“, schildert Kurt Allert die damals einschneidende Veränderung nicht ohne Stolz. Noch einige Jahre in beratender Funktion tätig, schloss er seine berufliche Karriere im Alter von 72 Jahren „in großer Dankbarkeit“ ab.
Neben seinem langjährigen Engagement als Unternehmensgründer und –chef investierte der umtriebige Macher auch viel Zeit in ehrenamtliche Funktionen. 33 Jahre lang war er in Wirtschaftsverbänden ein gefragter Mann, in Seedorf war er unter anderem im Gemeinderat kommunalpolitisch aktiv. Zehn Jahre lang war er Aufsichtsratsmitglied der Seedorfer Raiffeisenbank, ebenfalls ein knappes Jahrzehnt Vorstandsmitglied der AOK Kreis Rottweil. Über vierzig Jahre lang engagierte sich Kurt Allert zudem im evangelischen Kirchengemeinderat, ebenso ist er seit mittlerweile dreißig Jahren passives Mitglied in der Musikkapelle Altoberndorf. Mit seiner inzwischen verstorbenen Gattin Erne feierte er im Jahr 2016 das recht seltene Jubiläum der eisernen Hochzeit, die beiden konnten insgesamt auf 66 glückliche Ehejahre zurückblicken.
Obwohl auch im Leben des Kurt Allert der normale Tag nur 24 Stunden hat, kam bei dem Liebhaber klassischer Musik (Bach, Mozart, Vivaldi) zudem der Sport nicht zu kurz. „Ich habe mich schon als Jugendlicher immer sportlich betätigt, war als Schwimmer, Fußballer, Läufer und Tennisspieler aktiv“, blickt Kurt Allert zurück. „Nachdem ich vorher an einem Hobby-Tischtennisturnier teilgenommen hatte, wurde ich gefragt, ob ich im Verein aktiv mitwirken wolle“, erinnert er sich an den Beginn der 1980er-Jahre, als er im schon etwas reiferen Alter von 51 Jahren Mitglied beim TTC Oberndorf wurde – und seitdem dem Verein fest verbunden ist. „Dem TTC bin ich immer treu geblieben, unser Verein hat sogar einen Kurt-Allert-Pokal ins Leben gerufen, nachdem ich jahrelang die diversen Pokale für die Vereinsmeisterschaften gestiftet habe und dies auch immer noch tue. Mein größter Erfolg waren einige aktive Jahre in der Kreisliga B und ein TTR-Punktestand von 1350. Inzwischen sind es etwas weniger“, nimmt Kurt Allert den Lauf der Dinge gelassen hin.
Fragt man innerhalb des Vereins nach den Verdiensten des rüstigen Seniors, bekommt man zahlreiche Beispiele serviert. „Dass es in früheren Jahren mit unserer Jugendarbeit phasenweise richtig aufwärtsging, klappte damals nur mit Unterstützung von Kurt, der zwar nie offiziell ein Amt innehatte, aber als gute Seele und nicht zuletzt als Sponsor dafür sorgte, dass ein Nachwuchstraining unter professionelleren Bedingungen möglich war“, findet TTC-Vorstandsvorsitzender Michael Lingen lobende Worte. Kurt Allert finanzierte das Training und diverse Lehrgänge, war laut Lingen ein „richtiger Macher, aber auch ein herzensguter Mensch“. Zudem organisierte Kurt Allert die Teilnahme seines Vereins an Tischtenniskursen in Offenburg unter Leitung des russischen Spitzentrainers Pavel Levine. „Das war damals vor allem für unsere Damenmannschaft von Vorteil“, erinnert sich Allert.
„Richtig angefuchst“ hat ihn eine Verletzung im letzten Jahr, nachdem er all die Jahre davor verletzungsfrei über die (Tischtennis-)Runden kam. „Bei einem Spiel in Rosenfeld zog ich mir einen Muskelriss am rechten Oberarm zu, so dass ich mehrere Monate pausieren musste“, sagt der 91-jährige, der vor fünf Jahren einen Herzschrittmacher implantiert bekam. Zuletzt auskuriert von der Verletzung, machte im März das Corona-Virus dem immer noch ehrgeizigen Vorhand-Angriffsspieler („auf der eher schwächeren Rückhandseite spiele ich mit einem Antitopbelag“) abermals einen Strich durch die Rechnung. Kurt Allert: „Keine Frage, die bislang getroffenen Maßnahmen im Zusammenhang mit Corona waren allesamt richtig. Trotzdem hoffe ich, dass wir unter Einhaltung der vorgegebenen Hygienevorschriften bald wieder am Tisch stehen können. Ich freue mich sehr auf die neue Saison, in der ich abermals die olympische Idee vor Augen habe.“
Dabeisein ist alles – war dies im erfüllten Leben von Kurt Allert angesichts zahlreicher Erfolge auf beruflicher und ehrenamtlicher Ebene nicht immer die einzige Devise, so zeigt sich der Oberndorfer inzwischen in manchen Phasen durchaus genügsam – und mit sich stets im Reinen. Und bezogen auf den Tischtennissport: „Ich bin dankbar, dass ich noch in meiner Mannschaft mitspielen kann und hoffe, dass ich mich von der Spielstärke noch einige Zeit hier aufhalten kann. Es ist mir ein besonderes Anliegen, allen Tischtennisfreundinnen und -freunden Mut zu machen und so gut es ihnen irgend möglich ist, aktiv beim Tischtennissport zu bleiben. Ich persönlich bin Gott sehr dankbar, dass er mir diese Möglichkeit noch gibt.“
Bericht: Thomas Holzapfel
Fotos: Georg Dlugosch