Einmal Gold ist Annett Kaufmann nicht genug: Nach dem Europameistertitel mit der deutschen Mannschaft war die Böblinger Bundesligaspielerin auch in den anschließenden Individualwettbewerben die Größte und holte sich im kroatischen Varazdin zusätzlich den EM-Gewinn im Einzel sowie im Doppel. Die Bronzemedaille im gemischten Doppel war dann noch nur eine positive Randerscheinung.
Als sich das Schiedsrichterteam am letzten Turnierabend vor dem Einzelfinale der Schülerinnen positionierte, schallte laut „Simply the best“ aus den Lautsprechern. Genau die richtige Musik für Annett Kaufmann, die mit großem Selbstvertrauen in ihre 32. Partie (!) dieser Jugend-Europameisterschaften ging – und das Turnier mit dem Einzeltitel krönen wollte. Nur 45 Minuten zuvor hatte sie an der Seite der Rumänin Bianca Mei Rosu EM-Gold im Doppel geholt. Zum finalen Einzel war es dann für die Daheimgebliebenen gut, pünktlich den Livestream eingeschaltet zu haben, denn was Annett Kaufmann in den kommenden, lediglich fünfzehn Minuten bot, war perfekter Tischtennissport.
Ihre Kontrahentin Veronika Matuinina aus der Ukraine hatte im Halbfinale mit einem Siebensatzsieg gegen die Französin Agathe Anne Avezou aufhorchen lassen, als sie einen 0:3-Satzrückstand noch in ein 4:3 umwandelte. Dementsprechend konzentriert ging Annett Kaufmann zu Werke, die anfängliche 5:0-Führung brachte gleich noch mehr Sicherheit. Im Schnelldurchgang ging der erste Satz mit 11:2 an die Linkshänderin, die auch in den Folgesätzen fehlerlos spielte. Zwischenzeitlich klappte in der kühlen und im Gegensatz zum Außenbereich angenehm temperierten Sporthalle in Varazdin einfach alles. Der gegnerische Aufschlag wurde perfekt routiniert, mit der Rückhand wurde die Kontrahentin ausgeblockt und Vorhand- und Rückhandtopspin kamen wie aus einem Guss. Mit jeweils 11:1 (!) gingen die Folgesätze an das SVB-Juwel, lediglich kurzzeitig unterbrochen von musikalischen Einspielungen zu Bruce Springsteens Hit „Born in the USA“, dessen Sequenz „These were the best days of my life“ kaum passender hätte sein können. Selbstbewusst wartete Kaufmann nach kurz gehaltenen Satzpausen am Tisch auf ihre Gegnerin, die ihrerseits einer intensiveren Beratung bedurfte. Doch die Machtdemonstration ging weiter, mit 11:7 ging der letzte Durchgang an die Bietigheimerin, die nach dem verwandelten Matchball schnurstracks zu Trainerin Lara Broich rannte und diese jubelnd umarmte. Annett Kaufmann nach dem Spiel: „Ich hatte eigentlich nicht so eine große Taktik gegen Matuinina, ich habe einfach versucht mein Spiel zu spielen.“
Annett Kaufmann hielt in den Tagen von Varazdin dem Druck stand, der auf ihr lastete. Schließlich waren es nicht wenige in der Szene, die die 15-jährige in ihrem letzten Schülerinnen-Jahr als Topfavoritin sahen. „Annett war bei diesen Europameisterschaften eine Klasse für sich, sie kann sehr stolz auf sich sein“, sagte Mädchen-Bundestrainerin Lara Broich im Anschluss, „sie hat ein überragendes Turnier gespielt und sich ihre drei Goldmedaillen redlich verdient. Vor allem ist bemerkenswert, dass sie ihre gute Form und den Fokus über die gesamte Woche auf höchstem Level halten konnte.“ Was bei einer Gesamtbilanz von 54:4 Sätzen in sechzehn Einzeln ohne Niederlage wahrlich keine Selbstverständlichkeit war.
Mit weiteren neun Siegen und nur eine Niederlage bilanzierte Annett Kaufmann in den Doppelwettbewerben. Mit Partner Lleyton Ullmann (TSV Sasel) war im Halbfinale des Mixed-Wettbewerbs gegen die polnische Formation Milosz Redzimski/Wiktoria Wrobel zwar kein Kraut gewachsen (1:3), dennoch konnten sich die beiden über die Bronzemedaille freuen. Mit der Rumänin Bianca Mei Rosu hatte sich Annett Kaufmann im Vorfeld eine spielstarke Partnerin ausgesucht, mit der sie sich schon im Einzel viele Duelle geliefert hatte. Gemeinsam beherrschten die beiden die Doppelkonkurrenz, die sie mit einem souveränen 11:8, 11:4 und 11:6 im Finale gegen Anastasiia Ivanova/Zlata Terekhova (Russland) erfolgreich abschlossen.
Drei Mal Gold, einmal Bronze, Annett Kaufmann avancierte bei den 63. Titelkämpfen zur herausragenden Spielerin, das „Golden Girl“ sorgte in der EM-Geschichte für den insgesamt siebten Turniergewinn einer deutschen Nachwuchsspielerin im Schülerinnen-Einzel. Damit reiht sie sich in die Liste solch prominenter Siegerinnen wie Petrissa Solja (2008, 2009) und Nina Mittelham (2012) ein.
Text: Thomas Holzapfel Fotos: Quelle ETTU/DTTB/privat