Mit acht Medaillen kehrte die deutsche Para Tischtennis-Nationalmannschaft um Bundestrainer Volker Ziegler am Sonntag aus dem spanischen Granada zurück. Auch wenn die Teams aus China und Russland dem Turnier fernblieben, so war das Niveau mit 51 teilnehmenden Nationen dennoch außergewöhnlich hoch. Unser Mitarbeiter Thomas Holzapfel hatte nach Zieglers Ankunft im heimischen Lehenweiler die Gelegenheit zu einem Interview.
Redaktion: Wie sieht Ihr sportliches Fazit dieser Weltmeisterschaften aus?
Volker Ziegler: Wir zählen nicht nur die Titel und Medaillen. Für uns sind auch kleine und große Schritte in der Leistungsentwicklung entscheidend. Hier beeindruckte mich besonders die Entwicklung von Jana Spegel. Bei ihrer ersten WM konnte die junge Stuttgarterin Bronze gewinnen und - vielleicht noch wichtiger - viel Erfahrung sammeln. Aber auch Thomas Brüchle und Sandra Mikolaschek bereiteten unabhängig von ihrer Goldmedaille mit ihrer Präsenz und Mentalität große Freude.
Redaktion: Sie sagten vor wenigen Tagen, dass ein paar Medaillen in den Wettbewerben der Stehenden fehlen würden. Ist das so zu interpretieren, dass die Professionalisierung in Deutschland bei den Stehenden noch nicht so weit fortgeschritten ist wie bei den „Rollis“? Wenn ja, woran liegt das?
Volker Ziegler: Diese Interpretation ist zumindest nicht falsch. Die meisten "Rollis" haben ihr Leben am Leistungssport ausgerichtet und ihren Lebensmittelpunkt aus Bayern, Sachsen-Anhalt oder Schleswig-Holstein nach Düsseldorf verlegt und trainieren größtenteils an unserem dortigen Bundesstützpunkt unter professionellen Bedingungen. Sie ernten gerade die Früchte dieser Investition in ihren Sport.
Redaktion: War die WM trotzdem eine „echte“ WM mit gleichem Stellenwert wie sonst, auch wenn die Nationen aus China und Russland fehlten? Warum spielte China eigentlich nicht mit?
Volker Ziegler: Durch internationale Vergleiche auf höchstem Niveau können wir die Spielerinnen und Spieler gezielt weiterentwickeln. Daher war es natürlich schade, dass China nicht dabei war. Die Chinesen haben aber im Vorfeld das Land nicht verlassen und an keinen Weltranglistenturnieren teilgenommen. Diese sogenannten "Tournament Credits" waren aber eine der Voraussetzungen, die alle Nationen erfüllen mussten. China sah das für sich anders und dachte wohl, dass die ITTF (der Internationale Tischtennisverband, Anm. der Red.) nicht den Mut zur Konsequenz haben würde. Mit insgesamt 51 teilnehmenden Nationen war das Niveau dennoch sehr hoch, zumal immer mehr Länder absolut professionelle Strukturen haben.
Redaktion: Was war Ihr emotionalster Moment bei der WM?
Volker Ziegler: Eine WM ist mit ihren Erfolgen und Enttäuschungen von Anfang bis Ende emotional. Meine Aufgabe ist, dass die Emotionen nicht die Oberhand gewinnen. Direkt nach dem Finalsieg von Valentin Baus musste ich direkt zum Endspiel von Sandra Mikolaschek, deren Vorbereitung da bereits lief. Insofern war da wenig Zeit, um die positiven Emotionen zu genießen.
Redaktion: Was waren Ihre eigentlichen Aufgaben während der WM? Welche Spieler hatten Sie unter Ihren Fittichen und welche Herausforderungen galt es zu meistern?
Volker Ziegler: Meine Aufgabe ist recht einfach. Ich hoffe, dass bei allen Athleten und Betreuern die eingeübten Abläufe funktionieren und sie die dadurch ihre Topleistung am Tisch bringen können. Klappt das nicht, bin ich Feuerwehrmann und Mädchen für alle und alles. Wenn es gut läuft, bin ich auch der Filter, der Ungemach abfedert und gar nicht zu den Athleten durchdringen lässt.
Redaktion: Wie wirkte sich der neue Modus ohne Gruppenphase mit sofortigem KO-System auf das deutsche Team aus? Kam das generell positiv oder eher negativ an?
Volker Ziegler: Der neue Modus war im Vorfeld durchaus ein Thema. Ich habe mich dazu bereits kritisch geäußert. Im Turnier und in der unmittelbaren Vorbereitung hilft kein Lamentieren. Hier war jeder voll auf das sportliche Ziel fokussiert. Was natürlich einen großen Einfluss auf die Auslosung hatte, war die Setzung. Dadurch, dass erstmals nur vier Athleten gesetzt wurden, konnte es bereits in der ersten Runde zum Aufeinandertreffen von Platz 5-8 der Weltrangliste mit den Top Vier kommen. Die ITTF hielt das für eine gute Idee, um mehr Überraschungen zu generieren. Aber das ist einer WM unwürdig. Jeder Bezirksfunktionär würde dafür geteert und gefedert.
Redaktion: Wie lief es organisatorisch in Granada ab? Wurde das ganze Drumherum ebenso weltmeisterlich inszeniert?
Volker Ziegler: Das Venue-Dressing war absolut professionell. Die ITTF orientierte sich dabei an der Präsentation der World Table Tennis-Turniere. Entsprechend top waren dann auch die TV- und Streaming-Bilder. Hinter den Kulissen ging es oft weniger glamourös zu. Lange Wartezeiten vor dem Einmarsch direkt unter den Lautsprechern bei voller Beschallung sind für die Wartenden eine Zumutung. Das kann man diskutieren, vielleicht bin ich aber auch einfach nur zu alt dafür (lacht). Nicht zur Diskussion steht, dass falsche Flaggen und Nationalhymnen bei der Siegerehrung handwerkliche Nachlässigkeiten sind, die man hätte vermeiden können.
Redaktion: Wie sehen die restlichen Wochen des Jahres beim Bundestrainer aus?
Volker Ziegler: Durch die im Jahresverlauf sehr späte WM ist das Restprogramm sehr gedrängt. Normalerweise steht für Kadernominierung, Budgetzuteilung an die einzelnen Sportarten im Verband, Budgetplanung, Terminreservierungen, Jahresplanung und diverse Gremiensitzungen etwas mehr Zeit zur Verfügung. Die restliche Zeit verbringe ich auf der Autobahn und mit hoffentlich vielen Spaziergängen rund um Lehenweiler.
Interview: Thomas Holzapfel
Fotos: Hannes Doesseler / DBS