Freitag, 13. Oktober, in Stuttgart: An 15 Tischen spielen 75 Tischtennis Outdoor-Begeisterte ein Turnier. Es ist die "Friday night ping pong". Viereinhalb Stunden dauert das Spektakel. Bis zu 250 Menschen verfolgen das Geschehen oder waren aktiv. Die Stadt hatte die Voraussetzungen für dieses Sportangebot im Rahmen des Projekts "Stuttgart bewegt sich" geschaffen. Tischtennis Baden-Württemberg und seine Vereine traten als Kooperationspartner auf.
Die Beobachtungen als Augenzeuge vor Ort:
Tischtennis ist Kult
Stefan, ein früherer Klubkollege, traut seinen Augen kaum: "Das hier ist Kult!" In den 90er-Jahren hatte er im Jugendteam eines Klubs gespielt. Daher kennt er die gewohnten Abläufe im Vereins-Tischtennis. Aber am gestrigen Freitag war alles neu für ihn. Schauplatz: unter der Paulinenbrücke am Österreichischen Platz in Stuttgart. Vier Jahrzehnte lang war das eher ein schmutziges Plätzchen. Seit letztem Sommer aber ist alles anders. Es sieht sauberer aus. Einige Sitzgelegenheiten wurden aufgestellt. Und Sportmöglichkeiten sind jetzt vorhanden: ein Fußball-Kleinfeld, mini-Tisch-Kicker, Kletterwand und vor allem: Tischtennis-Tische. Zweimal die Woche werden 8 Tische aufgebaut, drei Stunden lang, 30 Leute trainieren. Oder besser: zocken.
Erfolgsfaktoren: Tischtennis, Musik und Verpflegung
Am Freitag dann das i-Tüpfelchen: Ein Turnier an 15 Tischen, dazu Musik vom DJ Friction, Verpflegung zum Feierabend, Beleuchtungseffekte mit Flutlichtatmosphäre. Am Mikrofon heizt Gabriel Gaa ein. Früher war er FSJ-Mitarbeiter beim TTVWH. Heute kümmert er sich für die Stadt um die Organisation des Trainings - und eben dieses Turniers. Wie ein Hallensprecher beim Profi-Boxen werden die Spiele aufgerufen. Die Menge johlt, die Stimmung steigt stündlich. Und das nicht nur, weil viele der 75 Turnierteilnehmer und fast alle Zuschauer ihr Feierabend-Bier nebenbei genießen. Es ist die Mischung, die´s macht: Coole Atmosphäre, Musik und Gespräche statt Mucksmäußchen-Stille, viel Leidenschaft beim Spielen und Begeisterung beim Publikum. Highlight ist dann die Siegerehrung. Keiner ist gegangen, eher sind noch mehr Leute von der Straße dazu gekommen. Gabriel Gaa feiert den Sieger: "Und der Gewinner ist .... Rrronnnyyy!" Wieder tobt die Menge, man prostet sich zu - Feierabend in der neuen Tischtennis-Comunity statt zu Hause auf der Couch ...
Ganz besondere Spezies beim Tischtennis unter freiem Himmel
Vereins-Tischtennis und Outdoor-Tischtennis - das sind zwei unterschiedliche Dinge. Im Gespräch beschreibt der 58-jährige Ardi seinen Antrieb: "Bis zu Beginn von Corona habe ich im Verein gespielt, dann war die Halle zu. Deshalb begann ich, draußen zu spielen. Wir sind da 30 Leute im Park, die sich immer treffen. Mindestens dreimal die Woche spiele ich." Jetzt hat er Feuer gefangen, kommt häufig zu den Trainingsangeboten der Stadt unter der Paulinenbrücke. Und eben zum Turnier am Freitag. Dritter wurde er im Doppel. "Das war eine tolle Atmosphäre hier", lobt er. "Vielen Dank an alle, die das organisiert haben!" Und er will wiederkommen. Wie Michel, der zum Sieger-Duo im Doppel gehörte: "Ich spiele jeden Tag im Schlossgarten. Das ist Hardcore-Tischtennis, bei jedem Wetter." Tischtennis-Vereinsmitglieder, die nach draußen abwandern, also? Nein, es gibt auch den umgekehrten Weg: Alfred (50 Jahre) fand über das "Stuttgart bewegt sich"-Angebot in den Vereinssport. Am Freitag war er im Fortgeschrittenen-Feld, erreichte das Viertelfinale beim Freiluft-Event. Kommendes Wochenende spielt er wieder im Kreisklassen-Team seines Vereins, indoor natürlich. Und meistens auch noch Ersatz in der Mannschaft darüber. Ein Wanderer zwischen den beiden Tischtennis-Welten. Jogi Löw würde ihm attestieren: "mit högschder Motivation" ...
Outdoor-Tischtennis hat Zukunft
Die Corona-Zeit hat Tischtennis salonfähig gemacht, auf noch höherer Stufe. Die Industrie kam mit der Produktion von Freizeit-Tischen kaum noch hinterher. Und dennoch waren die Verantwortlichen der Landeshauptstadt überrascht: "Der Andrang ist ja unglaublich!" Franziska Borst, im Amt für Sport und Bewegung der Stadt für das Projekt zuständig, ist begeistert. Und sie blickt ins neue Jahr: "Wir werden solche Turniere auf jeden Fall weiter organisieren. Bis zu 10 Turniere sind im Jahr 2024 geplant. Und dieses Format könnte Schule machen. Ein potentieller Beauftrager für Outdoor-Tischtennis innerhalb von TTBW wurde angesprochen. Er könnte das Stuttgarter Konzept an die Bezirke und Kommunen in Baden-Württemberg weiterleiten und als Experte Hilfestellung geben. Interesse von kommunaler Seite wurde bereits signalisiert. Die Vision: Tischtennis outdoor als flächendeckendes Angebot in Baden-Württemberg.
Nachhaltigkeit: Wie profitieren Vereine?
72.000 Mitglieder hat unser Verband Tischtennis Baden-Württemberg (TTBW). Gefühlt zehnmal so viele Menschen Menschen spielen im 11 Millionen-Bundesland regelmäßig in ihrer Freizeit Tischtennis - mindestens. Wäre da nicht ein Freizeit-Tischtennisklub angebracht, ganz ohne strenge Zwänge eines Terminplans oder Trainingszeiten? Oder wie können wir die Tischtennis-Community zusammenbringen, die ganz offensichtlich weit größer ist als wir uns das in unseren engen, abgeschlossenen Hallen oft vorstellen. Um sich einer Antwort dieser Frage zu nähern, werden wir uns der Diskussion im Ressort Sportentwicklung annehmen. Denn der überragenden Stimmung bei diesem Turnier sollen weitere Tischtennis-Festtage und zusätzliche Mitglieder folgen.
Freitag, 23:30 Uhr. Stefan verabschiedet sich von mir: "Das hat sich heute Abend so was von gelohnt, hier zuzuschauen, das mitzuerleben - eine irre tolle Veranstaltung." Fast 50 Jahre ist Tischtennis für mich eine Leidenschaft. Und auch mit Blick auf viele Top-Events habe ich das ebenso empfunden ...
Tischtennis BaWü (TTBW): Video - gute Stimmung beim Outdoor-Tischtennis
gez. Thomas Walter
Fotos: Gabriel Gaa, Thomas Walter