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Sportentwicklung   Wettkampfsport  

Volker Ziegler

"Gefühlt hat man den dreifachen Aufwand"

Volker Ziegler – Bundestrainer Tischtennis des Deutschen Behindertensportverbandes in Zeiten des Lockdowns:

„Gefühlt hat man den dreifachen Aufwand“

von Thomas Holzapfel

In Zeiten eines Corona-Lockdowns ist vieles nicht so, wie es sein sollte. Die einen nehmen’s gelassen, legen ihre Füße hoch und hoffen auf ein baldiges Ende der leidigen Pandemie mitsamt all ihren Einschränkungen. Andere wiederum, gerade im hauptamtlichen Bereich, sehen sich derweil mit Aufgaben konfrontiert, an die man vor Monaten noch keine Gedanken verschwendete. So auch Volker Ziegler, der sich in Funktion als Bundestrainer Tischtennis des Deutschen Behindertensportverbandes momentan nicht über Langeweile zu beklagen hat.

Sein achtes Jahr als Bundestrainer hat sich Volker Ziegler aus Lehenweiler sicherlich anders vorgestellt. Als im März der erste Lockdown ausgerufen wurde, wurden auch die Pläne beim Deutschen Behindertensportverband (DBS) gehörig über den Haufen geworfen. So wurden unter anderem die Deutschen Meisterschaften im Para-Tischtennis, die im April im Sindelfinger Glaspalast über die Bühne gehen sollten, abgesagt. Zahlreiche Folgeturniere wurden im weiteren Verlauf aus dem Programm genommen, auch die Paralympics in Tokio als über allem stehender Höhepunkt wurden um zwölf Monate verlegt. „Das war natürlich für unsere Nationalspieler aus sportlicher Sicht keine einfache Situation. Die deutschen Medaillenkandidaten standen voll im Saft und mussten wieder kontrolliert herunterfahren“, sagt Volker Ziegler, dem es allerdings seit jeher fernliegt, mit einem unumgänglichen Ist-Stand in irgendeiner Form zu hadern. Zudem ist auch dem 54-jährigen bewusst, dass zahlreiche Sportler seines Kaders zur Risikogruppe gehören und dementsprechend die Gesundheit jedes Einzelnen ganz oben auf der Prioritätenliste steht.

Seit Monaten hält der Bundestrainer im Para-Tischtennis seine „Natio“ mit Lehrgängen in Form, die üblichen internationalen Turniere finden derweil nicht statt. „Wir machen das Beste draus, man muss sich der Realität stellen. Die Lehrgänge des Gesamtkaders finden unter strikter Einhaltung der Hygienevorschriften statt“, schildert Volker Ziegler die Situation, „seit Oktober werden sogar Schnelltests vorgenommen. Dabei treffen sich Spieler und Trainer auf dem Parkplatz, unterziehen sich einem Test durch den Mannschaftsarzt und bei entsprechend negativem Ergebnis bekommen die Teilnehmer den Zimmerschlüssel ausgehändigt.“ Ziegler betrachtet dies nicht als lästiges Übel, sondern als Privileg. „Jedes Training, jedes Spiel ist etwas Besonderes und keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Das versuche ich den Teilnehmern zu vermitteln.“

Neben den Kadertreffen, die überwiegend im Düsseldorfer Tischtenniszentrum stattfinden, haben die besten deutschen Para-Tischtennisspieler die Möglichkeit, im 1-zu-1-Training mit einem eingeteilten Übungsleiter individuell an der Form zu arbeiten. „So kommt beispielsweise Rollstuhl-Bundesligaspieler Thomas Brüchle von seinem Heimatort Lindau öfters nach Böblingen, wo er eine individuelle Betreuung erfährt“, so Ziegler, dessen Team mit der Organisation derartiger Sessions einen nicht unerheblichen Mehraufwand zu leisten hat. „Gefühlt hat man einen dreifachen Aufwand, um am Ende einen halben Schritt voranzukommen“, sagt der ehemalige Regionalligaspieler und gelernte Diplom-Sportwissenschaftler, der im gleichen Atemzug betont, dass alle seine Kaderspieler und–trainer bewusst mit der Coronasituation umgehen und keine Spur von Leichtsinn zu erkennen ist.

Corona hin, Lockdown her – Volker Ziegler ist zuversichtlich, dass die Olympischen und Paralympischen Spiele im kommenden Sommer in Tokio über die Bühne gehen werden. Auch eine Verschlankung des Mammutturniers, die in diversen Presseberichten schon angedeutet wurde und womöglich zu Lasten der Paralympics gehen könnte, schließt Ziegler aus. „Alle Weichen sind gestellt, dass beide Turniere in Tokio stattfinden. Und der Vertrag mit den verantwortlichen Komittees sieht nicht vor, dass beispielsweise nur eines der beiden Events stattfindet. Die Japaner planen sogar mit Zuschauern, diesbezüglich finden derzeit Testveranstaltungen mit entsprechendem Publikum statt.“

Insofern wird beim DBS weiter der Fokus auf die Paralympics gerichtet. „Im Grunde beschäftigen wir uns seit dem Rückflug aus Rio de Janeiro bereits mit diesem Turnier, das letztendlich das Nonplusultra bedeutet. Europa- und Weltmeisterschaften sind schön und gut, aber was wirklich zählt, sind die Paralympischen Spiele“, macht Volker Ziegler keinen Hehl aus der Wichtigkeit des Turniers. Als wohl einziges internationales Turnier findet im April die Olympia-Qualifikation im slowenischen Lasko statt. „Das wird ein brutales Turnier, in dem die letzten Tickets für Tokio vergeben werden. In jeder Wettkampfklasse gibt es nur noch einen freien Platz, den der Sieger dieses Turniers erhält.“

Weniger reisen und wenn, dann nur innerhalb Deutschlands, mehr Homeoffice und flexiblere Arbeitszeiten – das berufliche Umfeld hat sich bei Volker Ziegler in diesem Jahr einschneidend verändert. Was auch den Vorteil hat, dass im heimischen Lehenweiler mal etwas auf Vordermann gebracht werden konnte. „Unser Garten und die Garage haben noch nie so gut ausgesehen wie aktuell“, sagt Volker Ziegler und grinst dabei. Wer den Bundestrainer und Chefcoach der Böblinger Bundesligadamen genauer kennt, weiß jedoch, dass ihm ein geregelter Arbeitsablauf mit längerfristiger Event-Planung besser ins Konzept gepasst hätte.

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