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Tischtennis Annett Kaufmann Jugend 19-Weltmeisterin

Ein Hintergrundbericht von Thomas Holzapfel

Foto (Annett Kaufmann privat)

(tho) Was für ein Tischtennisjahr für Annett Kaufmann! Spätestens seit den Olympischen Spielen ist die junge Bietigheimerin, die im Einzelsport weiterhin für die SV Böblingen antritt, in aller Munde. Im schwedischen Helsingborg kam nun ein weiteres Kapitel im sowieso schon prall gefüllten Erfolgsbuch der Tischtennisspielerin hinzu: In einem starken Endspiel setzte sich die 18-Jährige gegen die Chinesin Zong Geman durch und krönte sich zur Jugend 19-Einzelweltmeisterin.

Einen kurzen Gesprächstermin mit Annett Kaufmann zu bekommen, war einen Tag nach dem Triumph kaum möglich. „Ich hatte etwa 200 unbeantwortete Nachrichten auf meinem Handy“, sagt der Shooting-Star. „Das fühlt sich alles irgendwie noch unwirklich an“, gibt sie zu. Und man kann mit ihr mitfühlen: Alles andere als leicht waren die letzten Monate. Sportlich gesehen, aber auch was das Mentale anbetrifft. „Das war echt, echt superviel“, sagt sie und erzählt von ihrem ersten Jahr als Tischtennisprofi mit unzähligen Medienauftritten, Sponsorenterminen und natürlich vielen Reisen zu Turnieren, Meisterschaften oder Bundesligaspielen. Die Abiturientin wurde 2024 Deutsche Meisterin bei den Damen und avancierte zum „Liebling der Nation“ bei Olympia, was ihr nun auch bei den Team D-Awards des Deutschen Olympischen Sportbundes mit großem Abstand den Sieg in der Kategorie „Olympics“ einbrachte.

Und nun die U 19-Weltmeisterschaften. „Es war natürlich schon mein Ziel, einen WM-Titel in der Jugend zu gewinnen“, gibt Annett Kaufmann zu. Die Auslosung sei alles andere als leicht gewesen, gleich zu Beginn ging es gegen ihre walisische Doppelpartnerin Anna Hursey, mit der sie zuvor gemeinsam die Bronzemedaille ergatterte. Diese konnte sie mit 11:6, 9:11, 11:6, 11:3 und 11:8 in Schach halten. Im Achtelfinale ließ sie ein weiteres 4:1 über die Taiwanesin Yeh Yi-Tian folgen, der sie im Teamwettbewerb noch unterlag, danach folgte ein hart umkämpfter 4:2-Erfolg über Mao Takamori (Japan) und ein 4:1 über das ägyptische Ausnahmetalent Hana Goda. „Ich hatte ja im Teamwettbewerb nicht so super gespielt, deshalb bin ich froh, dass ich mich nun im Einzel steigern konnte“, so Annett Kaufmann, „das hatte ich insgeheim auch gehofft, da mir dies in der Vergangenheit bei längeren Turnieren schon öfters gelang.“

In einem hochklassigen Finale trat Annett Kaufmann gegen die Chinesin Zong Geman, den neuen Hoffnungsträger der Tischtennisnation China, sehr selbstbewusst auf, brachte den ersten Satz schnell mit 11:4 nach Hause. Die frühere SVB-Bundesligaspielerin behielt über weite Strecken des Spiels die Oberhand, musste aber den 2:2-Satzausgleich hinnehmen. Durchgang fünf ging wieder mit 11:6 an Kaufmann, danach wurde es erneut eng. Nervenstark wehrte sie einen Satzball der Chinesin ab und nach dem verwandelten Matchball zum 12:10 brachen alle Dämme: Kaufmann lässt den Schläger fallen, hält beide Hände vors Gesicht, schüttelt ihrer Kontrahentin und den Schiedsrichtern die Hände und fällt – das Gesicht bereits voller Freudentränen – ihrer Trainerin Lara Broich in die Arme.

„Ich glaube, ich realisiere erst in den kommenden Tagen, dass ich nun Weltmeisterin bin“, sagt Annett Kaufmann nach ihrer Ankunft in der Heimat. Vor ihr hat noch nie eine junge Spielerin den WM-Titel gewonnen, die nicht aus Asien stammte. 18 Mal ging Gold an China, zwei Mal an Japan. Kaufmann selbst habe sich vor dem Turnier keinen großen Druck gemacht, wollte locker aufspielen und den Wettkampf möglichst genießen. „Die Aufmerksamkeit von außen ist natürlich seit einiger Zeit enorm, aber ich bin ohne allzu große Erwartung und auch eher unvorbereitet in das Turnier gegangen. Zumal ja im Vorfeld auf Grund meiner Ellbogenverletzung einige Zeit gar nicht klar war, ob ich überhaupt in Schweden antreten kann. Und jetzt bin ich Weltmeisterin“, sagt sie freudestrahlend.

Und wie gelingt es ihr nun, sich wieder auf den Bundesliga-Alltag zu fokussieren? „Ich kann solch ein Turnier schnell abhaken, auch wenn ein WM-Titel natürlich schon etwas ganz Besonderes ist und er mir auch viel bedeutet“, sagt sie. Schließlich, so ergänzt sie, habe sie ein kleines Ausrufezeichen gesetzt und verdeutlicht, dass nicht immer nur die Asiatinnen gewinnen können. „Das gibt mir Hoffnung für die Zukunft, dass ich auch zu den Topspielerinnen gehören werde.“

Am kommenden Freitag (18 Uhr) bestreitet Annett Kaufmann zusammen mit der Gärtringerin Qianhong Gotsch mit ihrem neuen Verein SV DJK Kolbermoor das nächste Bundesligaspiel gegen Rekordmeister ttc berlin eastside. Zwei Mannschaften, die die Kenner der Szene als Favoriten auf den Meistertitel ansehen, die in der bisherigen Liga-Hauptrunde allerdings noch keine Bäume ausrissen. Eine Woche später geht es noch gegen den TTC Weinheim, danach ist erst einmal Beinehochlegen angesagt. „Ich werde über die Weihnachtstage nicht groß aktiv sein, möchte die Zeit mit den wichtigen Menschen um mich herum genießen. Und dann schauen wir mal, was das kommende Jahr bringt“, meint Annett Kaufmann. Es dürfte jedenfalls schwer werden, das nun zu Ende gehende Jahr 2024 mit all seinen Eindrücken, Emotionen und Erfolgen zu toppen.

Foto (Annett Kaufmann privat)

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