Neckarsulmer Männer verabschieden sich mit einem 5:5 gegen Kaiserslautern aus der 3. Liga
Als alles vorbei war, der letzte Punkt nach drei Stunden und 15 Minuten gespielt war, da standen die mehr als 250 Zuschauer in der Neckarsulmer Ballei auf und klatschten minutenlang. Ganz so, als ob sich damit das Saisonende und das damit verbundene Drittliga-Aus der Männermannschaft der Sport-Union Neckarsulm irgendwie doch noch aufhalten ließe: Applaus als Würdigung eines beeindruckenden Gesamtkunstwerks über viele Jahrzehnte. Um 20.45 Uhr am Samstagabend endeten 45 Jahre im höherklassigen Männer-Tischtennis mit stehenden Ovationen.
Es wurde beim 5:5 gegen die TSG Kaiserslautern wie erwartet ein Abend der großen Emotionen, des noch größeren Abschiedsschmerzes. Als Julian Mohr als Abteilungsleiter um kurz vor 17.30 Uhr seine Teamkollegen mit kleinen Präsenten verabschiedete, kamen die Worte von Satz zu Satz stockender daher. Die Stimme des 30-Jährigen war tränenerstickt. „Das war mental viel anstrengender als das Spiel selbst“, sagte Mohr. Mittags war er noch kurz am Grab von Opa Gerhard, auch das musste Teil des Abschiedsrituals, des Loslassens, sein.
Am Rande der Spielerboxen ließ Klaus Werz den Tränen vor Spielbeginn ihren Lauf, die Hände vorm Gesicht verdeckten sie nur notdürftig. Der Onkel von Julian ist 65 Jahre alt, hat mehr als ein halbes Jahrhundert als Spieler und zuletzt als Mannschaftsbetreuer immer mit der ersten Männermannschaft verbracht. „Die Wehmut ist groß“, sagt Werz, der nun – Ironie der unschönen Geschichte – wieder zum Spieler von Neckarsulm eins wird. Künftig in Liga sechs, der Verbandsoberliga, statt in der 3. Bundesliga Süd kommen dann zu den bisherigen 136 (!) verschiedenen Werz-Teamkollegen weitere hinzu.
Kurzgeschüttelt Die Gefahr war groß, dass der Sport durch die Abschiedsstimmung überemotionalisiert wird. „Wir mussten uns schon kurz schütteln“, gestand Spitzenspieler Florian Bluhm. Getragen von den Zuschauern führte Neckarsulm durch zwei starke Doppel-Vorstellungen und dem Einzelsieg von Abwehrkünstler Florian Bluhm schnell mit 3:0. Es wirkte fast, als ob sich das Neckarsulmer Quartett vorgenommen hatte, unbedingt allen in der Halle zu beweisen, wie facettenreich hochklassiges Tischtennis sein kann. Kaiserslautern schlug im direkten Duell um den bedeutungslosen Rang zwei im Endklassement zurück, glich zum 3:3 aus. Der Inder Ronit Bhanja verlor zum ersten Mal in der Rückrunde ein Einzel. Florian Bluhm versäumte es im Einserduell einen seiner vier Matchbälle zu verwandeln – 4:3 für Kaiserslautern. Aleksa Gacev und Bhanja drehten die Partie zum 5:4. Wie bei seinem Debüt vor bald zehn Jahren bestritt Julian Mohr die finale Partei, anders als damals gewann er sie nicht. Ein 6:4 hätte Neckarsulm auf Rang zwei gelupft. Gestört oder geärgert hat das niemand bei der Sport-Union.
Auch die Delegation des Hauptvereins sah am Samstag vor Ort, wie viel dieses Männerteam dann doch den Leuten in der Ballei bedeutet. Weil der Hauptverein seine Zahlungen von 40 000 Euro einstellt, lässt sich bekanntlich nur noch das Frauenteam in der 3. Liga finanzieren. Rolf Härdtner, der Vereinschef, war da, Geschäftsführer Hannes Diller und Vorstandsmitglied Bernd Dollmann auch. Zum Mikro vorher griff niemand. Keiner von ihnen war bei Spielende mehr in der Halle, wie viele mit Argusaugen und manch zynischem Kommentar feststellten.
MitdemNeckarsulm-Gen 45 Jahre lang waren es eben immer Neckarsulmer, die diese Männermannschaft prägten. Und zwar durchgängig, als Sportler und Funktionäre. Das lässt sich nicht über jede andere Sport-Union-Sparte sagen, die mit größeren Bällen und größerem Budget operiert. Das erklärt den tiefsitzenden Frust bei so manchem, der nun grußlos an Rolf Härdtner vorbeiläuft. „Er hat meine Kontaktdaten und kann sich jederzeit melden, was er seit der Ankündigung des Rückzuges nicht getan hat“, sagt Abteilungsleiter Julian Mohr über ein klärendes Gespräch.
Neckarsulm – TSG Kaiserslautern 5:5
Mohr/Gacev – Wang/Prokopcov 3:11, 11:4, 3:11, 11:7, 11:9 1:0
Bluhm/Bhanja – Bankosz/Köhler 7:11, 11:9, 11:9, 11:9 2:0
Bluhm – Prokopcov 11:4, 11:9, 11:8 3:0
Gacev – Wang 11:4, 3:11, 9:11, 7:11 3:1
Bhanja – Bankosz 9:11, 11:6, 7:11, 10:12 3:2
Mohr – Shouman 10:12, 11:2, 11:6, 1:11, 5:11 3:3
Bluhm – Wang 9:11, 11:9, 11:9, 13:15, 9:11 3:4
Gacev – Prokopcov 11:7, 9:11, 10:12, 11:6, 11:8 4:4
Bhanja – Shouman 11:9, 11:7, 3:11, 11:6 5:4
Mohr – Bankosz 11:7, 7:11, 6:11, 7:11 5:5
Bericht: Florian Huber, Heilbronner Stimme - hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung
Fotos: Ralf Seidel