Ganz so einfach ist es nicht, Volker Ziegler in diesen Tagen von Paris ein Zeitfenster zu entlocken, an dem er über die Vorort-Bedingungen bei den Paralympischen Spielen berichtet und ein sportliches Zwischenfazit nach Abschluss der Doppel- und Mixed-Wettbewerbe zieht. Hier ein Interview mit dem Fernsehen, dort eine Teambesprechung mit den deutschen Sportlerinnen und Sportlern, dazwischen immer wieder andere organisatorische Herausforderungen, der Bundestrainer der Para-Tischtennisnationalmannschaft ist während des sportlichen Jahreshöhepunkts über Maßen gefordert. Erwartungsgemäß und demzufolge kaum überraschend. Bei seinen inzwischen vierten Paralympischen Spielen strahlt der 58-jährige aus Lehenweiler als „ruhender Pol“ die Gelassenheit und Souveränität aus, die dem deutschen Team gut zu Gesicht steht.
„Seit unserer Ankunft in Paris und der Abholung am Bahnhof ist wirklich alles top organisiert“, sagt Volker Ziegler, „wir treffen hier regelmäßig auf sehr offene und hilfsbereite Volunteers.“ Wie schon bei den vorangegangenen Paralympischen Spielen sei es nicht von Nachteil, dass zuvor die Olympischen Spiele als „Testevent“, wie es Ziegler immer nennt, über die Bühne gingen. „Wir profitieren einfach davon, dass Schwachstellen und Fehler von Olympia nun abgestellt sind.“ Auch im Paralympischen Dorf, in dem 4 400 Sportlerinnen und Sportler beherbergt werden, fühlen sich die Athleten wohl. „Die Zimmer sind klein und spartanisch eingerichtet, die Betten aus recyclebarem Material hergestellt. Das kennen wir so schon aus Tokio“, erzählt Volker Ziegler. Statt einem Kleiderschrank gibt es ein kleines, wackeliges Regal, in dem man die Kleidung deponiert. „Das ist alles kein Problem, man ist ja schließlich da, um sich auf den Sport zu konzentrieren.“ Das Paralympische Dorf besticht laut Ziegler durch eine architektonische Vielfalt. „Das sind keine extremen Hochhausblöcke und sieht gut aus.“ An vielen Stellen erkennt Ziegler, dass auf Nachhaltigkeit gesetzt wird, so beispielsweise bei der Verwendung von Porzellangeschirr. „Die Qualität des Essens ist ok, man findet gesunde und ungesunde Sachen. Es liegt an jedem einzelnen, sich das Passende auszusuchen.“ Leicht verwundert zeigte sich Ziegler, dass die Beschwerden über das Essen ausgerechnet von englischer Seite adressiert wurden. „Ich denke, da können die Franzosen hier schon noch mithalten“, meint er mit einem Augenzwinkern.
Etwa 40 Minuten benötigt der Shuttle-Bus vom Paralympischen Dorf bis in die Arena Sud auf dem Pariser Messegelände, die knapp 8 000 Zuschauer fasst. „Die Anfahrt funktioniert auch deshalb recht gut, weil auf der Stadtautobahn eine Extraspur für die Para-Transporte reserviert ist“, sagt Volker Ziegler. „Die Stimmung in der Halle ist grandios“, schwärmt Volker Ziegler, „die Sessions sind oftmals ausverkauft. Wenn die Leute auf den Stahltribünen klatschen und trampeln, macht das einen ohrenbetäubenden Lärm, an den man sich erst einmal gewöhnen muss.“ Vor allem, wenn man noch die „Totentanzatmosphäre“ von vor drei Jahren im Corona-geplagten Tokio in Erinnerung hat.
Angesichts veränderter Setzlisten, neu eingeteilter Wettkampfklassen und dem Wegfall des Teamwettbewerbs („Die Paralympics haben jetzt ein ganz anderes Drehbuch“) zieht der Bundestrainer nach der Hälfte der Paralympischen Spiele eine zufriedenstellende Zwischenbilanz. „Natürlich hätten wir unser Mixed mit Thomas Brüchle und Sandra Mikolaschek gerne im Halbfinale gesehen, aber mit Rang fünf haben sie ihre Setzung bestätigt“, sagt Volker Ziegler. Die Silbermedaillengewinne der Doppel Stephanie Grebe/Juliane Wolf, betreut von Momcilo „Mozza“ Bojic, der einige Jahre auch das Training in der Sindelfinger Tischtennisabteilung leitete, sowie Valentin Baus/Thomas Schmidberger stellten die ersten Höhepunkte aus Sicht des deutschen Tischtennisteams dar. Die unmittelbar nach den verlorengegangenen Endspielen aufkommende Enttäuschung wich bei den Formationen schnell der Freude über das silberne Edelmetall. „Valentin und Tom haben Silber gewonnen und nicht Gold verloren“, resümierte Volker Ziegler und bezog sich dabei auf hohe Rückstände, die das Doppel im Viertel- und später im Halbfinale noch wettmachte. Im Endspiel gegen bockstarke Chinesen war dann allerdings nichts drin. „Es bleibt unser Anspruch, die Weltklasse-Chinesen zu schlagen“, meint der Bundestrainer, „aber es ist klar, dass das nicht immer in jedem zweiten Anlauf klappt.“
Am heutigen Montag begannen die Einzelwettbewerbe, wo sich einige deutsche Athleten zum Ziel genommen haben, um die Medaillen mitzuspielen. Allen voran Titelverteidiger Valentin Baus (Borussia Düsseldorf) in der Wettkampfklasse 5 und Vereinskollege Thomas Schmidberger in der Wettkampfklasse 3, der nach Bronze in London sowie Silber in Rio de Janeiro und Tokio allzu gerne noch die Medaillensammlung vervollständigen möchte. Thomas Brüchle (Tischtennis Frickenhausen) gewann am Mittag seine Achtelfinalpartie gegen den Spanier Eder Rodriguez glatt in drei Sätzen, Jana Spegel (ebenfalls Frickenhausen) muss am Montagabend (20 Uhr) im Achtelfinale gegen die Ägypterin Ola Soliman ran.
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Die Zwischenbilanz aus Paris kann sich sehen lassen
Para Tischtennis-Bundestrainer Volker Ziegler aus Lehenweiler bei seinen vierten Paralympischen Spielen