Kurz vor der Sommerpause traf sich die baden-württembergische Tischtennisjugend in Gerstetten (Bezirk Ostalb) zu einem der wenigen Kräftemessen in den vergangenen, von der Pandemie stark beeinflussten Monaten. Das Top 12- bzw. Top 16-Ranglistenturnier der Jugend 15/18 stellte eine echte Standortbestimmung für die Talente aus Baden-Württemberg dar. Als Sieger gingen Bao Chau Elisa Nguyen (TTV Ettlingen) und Pascal Timke (SV Böblingen) im U 15-Bereich sowie Victoria Merz (TSG 1845 Heilbronn) und Mathis Braunwarth (SC Staig) bei der U 18-Jugend aus dem Turnier hervor.
Die vier Nachwuchsspieler und -spielerinnen, die sich am Ende in Vor- und Endrunde durchsetzten, lösten dabei das Ticket für das jeweilige DTTB-Ranglistenturnier Top 48, das im Oktober in Straubing (Jugend 15) und im November in Göttingen (Jugend 18) über die Bühne geht. Vor allem die Kadertrainer werden im Nachgang über weitere Verfügungsplätze zu diesen hochkarätigen Veranstaltungen entscheiden.
Nachdem das TTBW-Ranglistenturnier im vergangenen Jahr dem Corona-Lockdown zum Opfer fiel, mussten die Verantwortlichen nun gewisse organisatorische Anpassungen vornehmen. Die Ranglistensieger wurden in Eintagesveranstaltungen ermittelt, dabei absolvierte die U 15-Jugend ein Mammutprogramm von insgesamt elf Einzeln, während am Sonntag die U 18-Teilnehmer insgesamt acht Einzel zu bestreiten hatten. Im Vorfeld mussten alle Teilnehmer ein negatives Corona-Testergebnis vorweisen, auch für Betreuer, Schiedsrichter und Funktionäre war die Einhaltung der 3G-Regel zwingend.
Bei den Mädchen 15 marschierte Bao Chau Elisa Nguyen ohne Niederlage durch das Turnier. Schon mit reichlich Erfahrung im Oberliga-Damenteam des TTV Ettlingen ausgestattet, setzte sich Nguyen mit lediglich drei Satzverlusten souverän vor Namensvetterin Minh-Thao Nguyen von der Neckarsulmer Sportunion durch. Anna Gaiser (TV Öschelbronn) rangierte in der Endrunde mit 4:3 Spielen knapp vor Lucia Behringer (TTG Neckarbischofsheim), die nach dem Quartalsranking an Position eins gesetzt war, sowie der erst 11-jährigen Fatme El Haj Ibrahim vom VfL Herrenberg, die nach dem souveränen Erfolg im vorausgegangenen U 13-Turnier nun auch bei den Älteren eifrig mitmischte. Jüngste Teilnehmerin im Feld war die erst neunjährige Melissa Bill vom SSV Schönmünzach auf Platz 15.
Das Feld der Jungen 15 dominierten die Vertreter des Bezirks Böblingen, der nach TTR-Punkten führende Atakaan Kökten (TTSF Hohberg) musste sich mit einer 3:4-Endrundenbilanz hinter Nils Wolf (SV Sillenbuch) mit dem vierten Rang begnügen. Den Ranglistensieg machten am Ende Allrounder Pascal Timke (SV Böblingen) und Mahmoud El Haj Ibrahim (VfL Herrenberg) in einem sehenswerten Finale unter sich aus, wobei sich der bis dato unbesiegte Timke eine 2:3-Niederlage leisten durfte. Genau dies trat dann im bezirksinternen Vergleich auch ein. „Mudy“ El Haj Ibrahim verteidigte durch das 11:9 im entscheidenden fünften Satz den zweiten Platz. Positiv in Szene setzte sich der erst zehnjährige Tien Nghia Phong von der SG Heidelberg-Neuenheim, der sich im entscheidenden Vorrundenspiel gegen den favorisierten Colin Kestler (450 TTR-Punkte mehr) durchsetzte und so den Sprung unter die besten Acht schaffte.
Am zweiten Tag sah es in der Gerstettener Halle etwas übersichtlicher aus, da in der U 18-Jugend nur jeweils zwölf Talente zu Werke gingen, die in einem rollierenden System in der Vorrunde nur eine begrenzte Anzahl an Tischen belegten. Bei einem Blick auf die Quartalspunkte ließen sich bereits die Favoritinnen bei den Mädchen 18 ausmachen. So waren es dann auch Victoria Merz (TSG 1845 Heilbronn), Thi Minh Thu Nguyen und Mia Hofmann (beide NSU Neckarsulm), die am Ende die Treppchenplätze einnahmen. Victoria Merz hatte in der Vorrunde lediglich beim Fünfsatzerfolg gegen Kayra Bekir (TSV Illertissen) eine größere Hürde zu überwinden, in der Endrunde wartete gegen Schwester Rebecca Merz (NSU Neckarsulm) noch eine besondere Aufgabe. Victoria Merz fiel nach dem familieninternen Vergleich ein kleiner Stein vom Herzen: „Es ist natürlich immer etwas schwierig, in der Favoritenrolle gegen die eigene Schwester zu spielen.“ Im Endspiel behielt Merz vor den Augen ihres befreundeten Trainers Marcel Seimen gegen Thi Minh Nguyen knapp mit 11:8 im fünften Satz die Oberhand. „Das Spiel hätte ich auch verlieren können“, meinte eine glückliche Victoria Merz nach dem verwandelten Matchball.
„Mein Ziel war es, unter die ersten Drei zu kommen“, meinte Mathis Braunwarth (SC Staig), der im Vorfeld von der Papierform zu den Mitfavoriten im Jungen 18-Wettbewerb gehörte. Der 15-jährige Verbandsligaspieler vom SSV Ulm, der in der Jugend für den SC Staig spielt, marschierte in beeindruckender Manier durch Vor- und Endrunde. Spätestens nach dem 3:0-Erfolg gegen den späteren Fünften Fabian Haid (GSV Hemmingen) und der zeitgleichen Niederlage von Leon Lühne (SV Sillenbuch) gegen einen wie entfesselt aufspielenden Stuttgarter Felix Tränkle hatte sich Braunwarth eine hervorragende Ausgangsposition geschaffen. Im Anschluss beim 3:0 gegen Noah Trede (TTC 1946 Weinheim) machte Braunwarth gleich bei seinem ersten U 18-Auftritt auf baden-württembergischer Ebene den Ranglistensieg perfekt, die abschließende Niederlage gegen Lühne fiel letztlich nicht ins Gewicht. „Ich trainiere derzeit täglich“, sagte der Turniersieger, „die Corona-Zeit hat mir nichts ausgemacht.“ Groß war der Jubel auch bei Felix Tränkle und Coach Sven Happek nach einem tollen Endrundenspurt auf Platz zwei. Dritter wurde Leon Lühne vor Lennart Provoznik (GSV Hemmingen).
Die beiden Turniertage von Gerstetten wurden von Christhart Kratzenstein, Regionsleiter TTBW Region 4 Südost, professionell geleitet, auch Oberschiedsrichterin Simone Holzberger und Einsatzleiter Lothar Jander hatten das Turniergeschehen jederzeit im Griff. Lediglich am zweiten Turniertag waren vierzehn Tischschiedsrichter im Einsatz, am Samstag übernahmen die Jugendlichen selbst die Zählarbeit. Jürgen Häcker, Beauftragter Jugendsport der ARGE LS TTBW: „Da die regionalen Schiedsrichter auf einer Fortbildung weilten und dieses Turnier erst recht spät terminiert wurde, ließ es sich nicht realisieren, an beiden Turniertagen Unparteiische zu stellen.“ Lediglich ein paar Mal wurden die Spieler am Sonntag mit einem gelben Karton versehen, dazu Schiedsrichter Eckard Mayer: „Ich habe das Gefühl, dass es insgesamt etwas ruhiger zugeht als sonst. Vermutlich sind alle froh, dass endlich mal wieder ein Turnier gespielt werden kann.“
Befragt nach dem spielerischen Niveau, antwortete Jürgen Häcker mit einem Augenzwinkern: „Die müssen irgendwo trainiert haben.“ Wohlwissend, dass die Kaderspieler seit längerem wieder voll im Saft sind. „Manche Talente haben wirklich einen großen Sprung nach vorne gemacht“, so Häcker. Die Befürchtung, dass die Leistungsschere zwischen der baden-württembergischen Spitze und der Basis in den Vereinen und Bezirken noch weiter auseinandergehen könnte, äußerten derweil einige.
Der VfL Gerstetten erwies sich an den beiden Tagen als familiärer Gastgeber. Abteilungsleiter Paul Danzer und sein Stellvertreter André Baur, zugleich Jugendwart, sorgten mit einem engagierten Team für den Auf- und Abbau. „Ich möchte an dieser Stelle auch unbedingt unseren Manfred Zopp erwähnen, der bei uns im Bereich des Catering und der Logistik einen tollen Job macht. Wir hoffen, dass wir mit dem Turnier in unserer Region ein bisschen Werbung für den Tischtennissport machen können“, sagt Danzer, der momentan durchaus sorgenvoll die Entwicklung in seinem Verein betrachtet. „Leider können wir zur kommenden Saison keine Jugendmannschaft mehr stellen. Wir wollen nun unter anderem mit einer guten Öffentlichkeitsarbeit versuchen, aus dieser Corona-Talsohle wieder herauszukommen.“
Bericht: Thomas Holzapfel
Fotos: Volker Arnold
