Für die mittlerweile 18-jährige Annett Kaufmann ist 2024 sicherlich ein Jahr des Umbruchs, ein Jahr mit vielen Veränderungen – und nicht zuletzt ein Jahr, bei dem die Olympischen Spiele in Paris über allem stehen. Im Mannschaftssport tritt die Bietigheimerin künftig gemeinsam mit der Gärtringerin Qianhong Gotsch für den SV DJK Kolbermoor an, im Einzelsport startet sie weiterhin für die SV Böblingen, die bekanntlich kein Frauenteam mehr im Spielbetrieb aufbietet. Nunmehr befindet sich Annett Kaufmann in der heißen Vorbereitungsphase auf Olympia.
„Der deutsche Meistertitel bei den Erwachsenen hat mich auf jeden Fall nochmal gepusht“, sagt Annett Kaufmann, die im Rückblick von einer „besonders stressigen Zeit“ berichtet. Mitte Juni sicherte sie sich bei den TT Finals in Erfurt den deutschen Einzeltitel, gewann im Endspiel gegen Yuan Wan glatt mit 4:0 und sicherte sich mit der Weinheimerin zudem den Gesamtsieg im Doppel. Am Sonntagabend, direkt im Anschluss an das Einzelendspiel, trat Kaufmann die Heimreise aus Thüringen an, um dann tags drauf in die Abi-Prüfungswoche am Ellentaler Gymnasium zu gehen. Das ist mittlerweile Schnee von gestern. „Auf der einen Seite ist es schade, dass diese Zeit nun zu Ende ist“, bekennt die 18-jährige, die sich mit einem Notenschnitt von 2,0 aus der Schule verabschiedete, „andererseits freue ich mich auf den neuen Lebensabschnitt, in dem ich mich nun erst einmal voll und ganz auf den Tischtennissport konzentrieren werde. Bisher habe ich Tischtennis immer als Hobby gesehen, jetzt ist es eben mein Beruf. Mal sehen, wie das so ist und was ich alles aus mir herausholen kann.“
Das Thema Olympia schwirrte zuletzt immer wieder durch den Kopf von Annett Kaufmann. Bis Anfang Juli gab sie sich mit der Rolle als Ergänzungsspielerin problemlos zufrieden, nachdem klar war, dass es der deutschen Spitzenspielerin Han Ying ein halbes Jahr nach ihrem Achillessehnenriss noch gelingen würde, auf den Olympiazug aufzuspringen. Dann der herbe Rückschlag: Beim Comeback im Rahmen eines WTT Star Contender Turniers in Bangkok zog sich die 41-jährige nach nur 18 Ballwechseln eine abermalige Ruptur der Achillessehne, diesmal auf der linken Seite, zu. „Das war natürlich richtig bitter für Han Ying. Nachdem sie sich so schnell wieder nach vorne gearbeitet hatte, hätte sie sich den Start in Paris wirklich verdient“, bedauert Annett Kaufmann die Situation, fügt aber auch an: „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich überhaupt nicht auf Paris freue. Aber natürlich hätte ich es mir etwas anders gewünscht.“
Richtig gespannt ist Annett Kaufmann auf das Ambiente vorort, natürlich vor allem auf die Stimmung im Olympischen Dorf. „Das ist eine unfassbar große Veranstaltung, die meine Vorstellungskraft übertrifft“, meint die 18-jährige, die sich in den letzten beiden Wochen vor der Abreise am 1. August hauptsächlich im Düsseldorfer Tischtenniszentrum, der sportlichen Schaltzentrale des Deutschen Tischtennisbundes, aufhält. „Nur an den Wochenenden bin ich zuhause, vor wenigen Tagen hatten wir unseren Abiball“, erzählt Annett Kaufmann. Beim allerletzten Härtetest absolvierte das deutsche Frauenteam einen Vergleichskampf gegen die Japanerinnen, die zuletzt in Düsseldorf als Sparringspartnerinnen zur Verfügung standen. Beim 0:5 unterlag Kaufmann im Einzel Satsuki Odo in vier Sätzen (4:11, 11:7, 14:16, 8:11), zuvor im Doppel mit Shan Xiaona war man gegen Ayami Narumoto/Sakura Yokoi chancenlos (7:11, 6:11, 4:11). Im weiteren Verlauf der Düsseldorfer „Paris Challenge“ gelangen Kaufmann immerhin zwei Einzelsiege gegen Sakura Yokoi und der deutschen Teamkollegin Yuan Wan.
Während sich die im Einzel eingesetzten deutschen Spieler bereits Ende dieser Woche auf den Weg in die französische Metropole machen, fokussiert sich Annett Kaufmann, die an dritter Position hinter Nina Mittelham und Shan Xiaona aufgestellt ist, auf den Teamwettbewerb, der am 5. August startet. „Ich habe mir keine konkreten Ziele gesetzt“, stellt Annett Kaufmann klar, „ich möchte die Atmosphäre genießen, weiter Erfahrung sammeln und natürlich mein bestmögliches Tischtennis abrufen. Hoffentlich kann ich auch mit dem einen oder anderen Sieg der Mannschaft helfen.“
Als Europameisterin aller Jugendklassen geht Annett Kaufmann bereits mit viel Wettkampfroutine das Topevent an. Zudem legte sich zuletzt eine immer größere Professionalität im Umgang mit den Medien an den Tag. Von Nervosität keine Spur. Hierbei sei es auch hilfreich, dass ihre Eltern ursprünglich aus dem Leistungssport kommen, die Mutter fuhr Alpin-Ski, der Vater war Eishockeyprofi. „Von ihnen habe ich auf den unterschiedlichsten Gebieten viel mitbekommen, sei es bei mentalen Themen oder eben auch beim Umgang mit den Journalisten. Ich rede ganz gerne mit den Leuten und hab mir da auch einen gewissen Wortschatz angeeignet, den ich bei Interviews gerne nutze.“ Einen Leistungsdruck habe sie von den Eltern nie gespürt. „Eher das Gegenteil, sie sind da sehr gelassen.“
Erwachsene
Annett Kaufmann in den Tagen vor Paris
Vorfreude auf das Mega-Event – und auf das Olympische Dorf